© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/06 06. Januar 2006

Masseneintritt
Hamburg II: Ansturm türkischer Aleviten auf CDU-Ortsverband
Marcus Schmidt

Während die meisten Parteien in Deutschland seit Jahren mit einem rapiden Mitgliederschwund zu kämpfen haben, erlebte ein kleiner Ortsverband der Hamburger CDU in den letzten Wochen des vergangenen Jahres einen fast unglaublichen Ansturm von Neumitgliedern: Binnen Tagen stellten 204 Männer und Frauen den Antrag auf Aufnahme in den bis dahin lediglich 78 Mitglieder starken CDU-Ortsverband Finkenwerder.

Doch nicht nur der ungewöhnliche Massenansturm verblüffte die CDU-Führung in der Hansestadt: Sämtliche Neumitglieder tragen türkischen Namen und gehören der alevitischen Gemeinde an, einer liberalen moslemischen Glaubensgemeinschaft. Spätestens mit Blick auf diese Umstände wurde der Parteiführung offensichtlich bewußt, daß es sich bei dem Masseneintritt weniger um den Ausdruck eines plötzlich erwachendes politisches Interesse handelt als vielmehr um innerparteiliche Ränkespiele. Ins Schußfeld der parteiinternen Kritiker geriet daher schnell der Vorsitzende des Ortsverbandes, der 28 Jahre alte CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Heiko Hecht.

Dieser wollte mit Hilfe der ungewöhnlichen Mitgliederwerbung offensichtlich seine Machtbasis innerhalb der Hamburger CDU ausbauen. Bislang war der kleine Ortsverband mit drei Delegierten auf Parteiversammlungen vertreten. Mit dem Coup hätte Hecht seine "Hausmacht" auf acht Delegierte mehr als verdoppelt.

Doch der Landesvorstand der Hamburger CDU, der sich eigens mit dem Fall beschäftigt hat, scheint dem ehrgeizigen Jungpolitiker einen Strich durch die Rechnung zu machen. Denn eines hat Hecht übersehen: Keiner der 204 Neumitglieder wohnt oder arbeitet im Stadtteil Finkenwerder. Dabei gilt in der Hamburger Union für die Mitgliedschaft das Wohnort- und Arbeitsplatzprinzip: Mitglied in einem Ortsverband kann nur werden, wer in dem Stadtteil lebt oder seine Arbeitsstelle hat - was bei keinem der türkischstämmigen Neumitglieder der Fall ist. Diese werden nun, soweit ihrem Aufnahmeantrag entsprochen wird, auf andere Ortsverbände in Hamburg verteilt.

Unterdessen berichtet das Hamburger Abendblatt von einem weiteren ungewöhnlichen Masseneintritt in die Hamburger CDU: Im Stadtteil Jenfeld sind zeitgleich 40 Soldaten, die an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr studieren, in den Ortsverband eingetreten.


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