© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/06 06. Januar 2006

Eine Fatwa gegen den Islam
Ein muslimischer Ex-Fundamentalist bleibt in seiner Abrechnung mit dem Islam dem Eifertum treu
Werner Olles

Als Samuel P. Huntington in seinem Essay "Der Kampf der Kulturen" mit der These "Die Grenzen des Islam sind in der Tat blutig und das Innere ist es ebenfalls" darauf hinwies, daß vor allem die islamische Zivilisation durch "Kriegslust und Gewaltbereitschaft" gleichsam kulturell codiert sei, war die Empörung besonders bei vielen westeuropäischen Intellektuellen groß.

Aber politische Korrektheit ersetzt keine analytischen Anstrengungen, die geschichtszyklisch und kulturhistorisch unterfüttert sind, und die Verabschiedung des Westens aus der Geschichte ändert nichts an ethnischen und religiösen Identitätsbildungen und deren Geschichtsmächtigkeit. Während das Zeitalter der globalen Tribalisierung längst angebrochen ist, steht die westliche Zivilisation im Banne eines der großen Paradoxe der Moderne, nämlich zwischen Fortschrittsglauben und Dekadenzbewußtsein, derweil ihr die Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstverteidigung abhanden gekommen ist.

Spätestens mit dem religiös motivierten Ritualmord an dem niederländischen Filmemacher Theo van Gogh und diversen "Ehrenmorden" an jungen Musliminnen begann ein Teil der linken und liberalen Intellektuellen endlich zu begreifen, daß man das Tor für Eindringlinge aus anderen, vielleicht sogar kraftvolleren Kulturkreisen wohl doch etwas zu weit geöffnet hat. Fremdkulturelle Realitäten einer Vor- oder Gegenmoderne, die die inneren Verfalls- und Fäulnisprozesse in Westeuropa sehr genau registrieren und verächtlich darauf herabschauen, für die ein ehernes Freund/Feind-Schema die Normalität darstellt und denen der Islam als organischer Willenskörper gleichsam Identität und Sicherheit vermittelt, entpuppen sich in der Resurgenz des Islam als Auferstehung muslimischer Vergeltungsmacht.

Die Vorstellung, daß weltweit die Zivilisation der Barbarei zu weichen scheint, vertritt auch Ibn Warraq in seiner Streitschrift "Warum ich kein Muslim bin". 1946 in Indien geboren und in Pakistan aufgewachsen, erhielt er seine Ausbildung an dortigen Koranschulen und später in England. Aus Sicherheitsgründen lebt er heute an einem unbekannten Ort in den USA und schreibt unter dem Pseudonym Ibn Warraq, dem Namen eines ketzerischen Theologen aus dem zehnten Jahrhundert, der nach jahrelanger Verfolgung im Exil starb. Ein Konvertit ist der Autor, dessen radikale Kritik am Islam sich aus den Ideen der Aufklärung speist, jedoch nicht. Immerhin konzediert er dem Christentum, daß es sich in seiner zweitausendjährigen Geschichte zu einer vernunftgemäßen Religion entwickelt hat, was man vom Islam nicht einmal ansatzweise behaupten könne. Allerdings wirft er den Christen vor, den Schalmeienklängen eines angeblich "friedfertigen, toleranten Islams" auf den Leim zu gehen. Die Realität sehe jedoch ganz anders aus, denn der Islam sei in gewissem Sinne "die einzige antichristliche Religion". Nirgendwo werde Christus empörender verunglimpft als im Koran, der sogar ausdrücklich die Kreuzigung leugne. Und nirgendwo werden Christen so stark verfolgt und drangsaliert wie in islamischen Ländern.

Ein besonderer Dorn im Auge ist für Warraq die "alberne Begeisterung" westlicher Intellektueller für den Islam. Vor allem die liberale Linke scheint nicht zu verstehen, was für eine erdrückende Last die islamischen Gesetze sind. Das Kapitel über "Frauen und Islam", in dem der Autor die Unterdrückung muslimischer Frauen als im Koran "göttlich sanktioniert" beschreibt, listet von der verstümmelnden Beschneidung junger Mädchen über die kindischen männlichen Sexualfantasien vom "Orgasmus ohne Ende" und "fortwährender Erektion" bis zu grausamen Bestrafungen durch Auspeitschen und Steinigung alle Maßnahmen auf, die Frauen im Islam auch heute noch erdulden müssen.

Aufschlußreich ist auch das Kapitel über die Ursprünge des Islams und seinen Gründer Mohammed, dem der Autor abspricht, ein "origineller Denker" gewesen zu sein. Vielmehr habe sich Mohammeds primitiver und ikonoklastischer Monotheismus aus arabischen Götzenkulten entwickelt, die er mit unverstandenen jüdischen und christlichen Versatzstücken anreicherte. Der heidnische Wüstengott Allah wurde kurzerhand einer Art "dogmatischer Säuberung" unterzogen, Polygamie, Sklaverei und Beschneidung einfach übernommen und der vorislamische Steinkult mit der Verehrung der Ka'aba weitergeführt. Mit Sicherheit lasse sich nicht einmal beweisen, wer der oder die Verfasser des Korans wirklich sind. In der Tat gibt es eine ernstzunehmende Hypothese, daß dies ein mekkanischer Rabbi war, der den Arabern die Thora vermitteln wollte, und nachdem die zunächst in Hebräisch geschriebene Fassung des Koran verlorenging, Mohammed zum Vorkämpfer des Islams ausbildete.

Warraqs Ausführungen über die von Mohammed angeordneten Folterungen, politischen Morde und Massaker, den von ihm betriebenen schwunghaften Sklavenhandel, seine Wegelagereien, Attentate und Sexskandale lesen sich wie eine Kriminalgeschichte des Islam. Die Behauptung, der Islam könne auf eine fast tausendjährige Tradition verweisen, in der er mit anderen Religionen in Harmonie und Eintracht lebte, hält der Autor für politische Geschichtsfälschung. Der "sentimentale Unsinn vom spirituellen Orient" sei spätestens nach den mit massenhaften Zwangsbekehrungen und blutigen Greueltaten einhergehenden Verwüstungen, die der Islam in Indien, in Nordafrika und auf der iberischen Halbinsel anrichtete, dem Genozid an den christlichen Armeniern 1915, den Massakern an Chinesen, Buddhisten und Kommunisten in Indonesien Mitte der sechziger Jahre, dem von der Uno-Menschenrechtskommission als "schlimmsten Völkermord der Geschichte" deklarierten Genozid in Ost-Pakistan, in dem islamische Milizen 1971 drei Millionen bengalische Hindus und Autonomisten abschlachteten, und dem bis heute anhaltenden Völkermord an Christen und Animisten im Sudan widerlegt. Nun gelte es den "totalitären Charakter" des Islam, der - im Gegensatz zum Christentum oder Buddhismus, die persönliche Religionen mit mystischen Lehren und einer Vorliebe für das Kontemplative sind - auf Welteroberung ausgerichtet ist, zu entlarven und gegen den "islamischen Imperialismus" Widerstand zu leisten.

Daß die moderne atheistische westliche Welt, die das Christentum entchristlicht hat und das religiöse Problem beharrlich leugnet und verdrängt, auf einen fundamentalen Schlag von seiten des Islams vorbereitet ist, bezweifelt der Autor indes entschieden. In diesem Punkt muß man ihm wohl zustimmen.

Ibn Warraq: Warum ich kein Muslim bin. Verlag Matthes & Seitz. Berlin 2004, 522 Seiten, gebunden, 28,90 Euro

Bild: Ka'aba in Mekka, Miniatur 1580: Vorislamischen Steinkult weitergeführt


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen