© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/06 06. Januar 2006

Frisch gepresst

Wertediskussion. Nicht erst die "Ehrenmorde" an jungen türkischen Frauen durch ihre Familienangehörigen, nur weil diese wie "deutsche Schlampen" leben wollten, hat die Diskussion um unterschiedliche Wertekoordinaten zwischen der türkischen Einwanderergesellschaft und "den Deutschen" ausgelöst. Wie diese unterschiedlichen Werte zu definieren sind, haben sich die türkische Journalistin Dilek Zaptcioglu, die für die Zeit oder die taz schreibt, und der in Istanbul lebende taz-Korrespondent Jürgen Gottschlich gefragt und tun sich etwas schwer damit. Da Wertediskussionen "trennende Diskussionen" seien, weil sie Unterschiede verdeutlichen und "zu einer Wertung" derselben führen könnten, üben sie bei ihrer Analyse auch allergrößte Zurückhaltung. Insbesondere bei Gottschlich, der "bei Türken" hochgehaltene Werte wie Nation und Familie "kritisch sieht", wird immer wieder der Eiertanz deutlich, dem er sich aussetzt, um einerseits unterschiedliche Sichtweisen zu beschreiben und andererseits eben Beobachtungen als "Stereotype, Klischees und Vorurteile" zu verwerfen. Obwohl man bei der Beschreibung "deutscher und türkischer Leitkulturen" lieber etwas mehr über die Situation im direkten hiesigen Spannungsfeld erfahren hätte, wird mehr über die Zustände in der Türkei präsentiert (Das Kreuz mit den Werten. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2005, 263 Seiten, broschiert, 14 Euro).

Kontroversen um Weimar. Aus naheliegenden Gründen wird "Weimar" als Chiffre für vielerlei betrachtet, etwa als "Experiment der Moderne", meist aber doch als Vorgeschichte der NS-Diktatur. Die umfangreiche Forschung, kaum noch überschaubar, erschließt übersichtlich und prägnant ein kompakter Band der Reihe "Kontroversen um die Geschichte" von Dieter Gessner, ehemaliger Spiegel-Dokumentationsjournalist (Die Weimarer Republik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, 131 Seiten, broschiert, 16,90 Euro). Exemplarische Themen wie Arbeiterbewegung, Wirtschaftskrisen, Weimarer Kultur und Moderne, Juden und Antisemitismus, Mittelstand, NSDAP-Wähler, Ende der Republik werden nüchtern und sachlich präsentiert. Eine fast 500 Titel umfassende Bibliographie erschließt die wichtigsten Forschungsbeiträge. Somit bietet Gessners handbuchartige Grundlage einen soliden Einstieg - nicht nur für angehende Historiker.


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