© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/06 13. Januar 2006

Jack Abramoff
König von Washington
von Ivan Denes

Es kommt selten vor, daß Time als Titelbild das Konterfei eines Gauners bringt. Das ist der Fall bei der jüngsten Ausgabe des berühmten Politmagazins: "Jack Abramoff, der Mann, der Washington gekauft hat". Zwischen 2000 und 2006 sollen nicht weniger als 112 Senatoren, Kongreßabgeordnete und deren Mitarbeiter Geld von Abramoff eingesteckt haben: Er gehörte zu den erfolgreichsten und bekanntesten Politlobbyisten. Nachdem er sich am 3. Januar im Zuge eines Kuhhandels mit der Staatsanwaltschaft mehrfachen Betrugs, Geldwäscherei, Steuerhinterziehung usw. für schuldig erklärt hat, vergeht kein Tag, ohne daß neue Einzelheiten - sprich: neue Verbrechen - bekanntwerden. Und es ist nicht abzusehen, wie viele Politiker und Geschäftsleute Abramoff in den Skandal mit hineinreißen wird, um ein milderes Urteil zu erwirken.

Der Aktionsradius des 1958 in New Jersey geborenen Anwalts jüdischen Ursprungs erstreckt sich von Indianerstämmen, die er bei dem Erwerb von Spielkasinolizenzen um etwa 25 Millionen Dollar betrogen hat, bis zu Lobbyarbeit zugunsten der Regierung von Malaysien und des Präsidenten von Gabun, Omar Bongo (dem er neun Millionen Dollar für eine Audienz im Weißen Haus abgeknöpft haben soll), von getürkter Korrespondenz, mit deren Hilfe er das Spielkasinoschiffunternehmen SunCruise Casinos - das auch Mohammed Atta zur Geldwäsche gedient haben soll - erworben hat, bis zur Lieferung von Scharfschützenausrüstung an israelische Siedler im Westjordanland.

Schon als Gymnasiast ließ Abramoff erkennen, welche einmalige kriminelle Energie in ihm steckt, als er von einer Wahl zum Vorsitzenden des Schülerausschusses wegen finanziellen Fehlverhaltens ausgeschlossen wurde. Er studierte Jura an angesehenen Hochschulen wie der Brandeis Universität in New York und der Georgetown Universität in Washington D.C.

Zehn Jahre lang war er in Hollywood tätig, wo er unter anderem 1988 den Action-Kracher "Red Scorpion" produzierte; der Streifen wurde von der südafrikanischen Apartheid-Regierung finanziert.

Die Liste der Kanzleien, Unternehmen, Organisationen, Stiftungen etc., in denen sich Abramoff im Laufe der Zeit maßgeblich engagiert hatte und die er allesamt in seine kriminelle Machenschaften einbezogen hat, kann beinahe beliebig verlängert werden. Unter den Spitzenpolitikern, die dem Betrüger jetzt direkt oder indirekt zum Opfer fallen, sind unter anderem der frühere Führer der republikanischen Mehrheit im US-Repräsentantenhaus, Tom DeLay, der Vorsitzende des Bauausschusses des Repräsentantenhauses, Bob Ney, die kalifornische Abgeordnete Dana Rohrbacher, der Senator aus Montana Conrad Burns usw. usf. Seine Verbindungen reichten bis ins Weiße Haus, namentlich zum Präsidentenberater Karl Rove. Die amerikanische politische Szene hat eine vergleichbare Erschütterung seit der Watergate-Affäre 1972 kaum erlebt.


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