© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/06 20. Januar 2006

Frank-Walter Steinmeier
Der ehrliche Makler
von Peter Freitag

Wie kein anderer verkörpert Frank-Walter Steinmeier das Spannungsverhältnis von Bruch und Kontinuität zwischen der Großen Koalition und ihrer rot-grünen Vorgängerin. Einerseits ist er der Vertraute des ehemaligen Bundeskanzlers, andererseits kann man sich, was die Persönlichkeit betrifft, keine stärkere Veränderung vorstellen, als die an der Spitze des Auswärtigen Amtes beim Wechsel von Joschka Fischer zu Steinmeier: dort der Polit-Parvenü, hier der promovierte Jurist und Verwaltungsfachmann; dort der polygame Genußmensch, der das Mediengetümmel für seinen Aufstieg suchte, hier der Familienvater und öffentlich kaum wahrnehmbare "Aktenfresser".

Der 1956 in Lippe geborene Steinmeier trat 1991 von der Gießener Juristischen Fakultät als Medienreferent in den Dienst der niedersächsischen Staatskanzlei. Nur zwei Jahre später übernimmt der promovierte Jurist die Büroleitung des Ministerpräsidenten Schröder, bevor er schließlich 1996 als Staatssekretär an der Spitze der Staatskanzlei steht. Für seinen Chef, den politischen "Bauchmenschen" wird er als rational denkender Administrator schnell unentbehrlich. 1998 folgt Steinmeier seinem Chef nach Bonn und Berlin, wiederum als Staatssekretär, wird jedoch erst nachdem Kanzleramtsminister Bodo Hombach 1999 über eine Immobilienaffäre stolpert "Chef BK" und muß fortan nicht selten im Chaos der rot-grünen Polit-Schnellschüsse die Kohlen aus dem Feuer holen. Mag sein, daß Schröder ihn als Entschädigung dafür ins neue Kabinett empfahl, oder aber um - in Form dieses getreuen Eckart - sein politisches Vermächtnis weiterzugeben.

Diese verkörperte Kontinuität bekommt der derzeitige Außenminister jedoch aktuell in Form zweier - möglicher - Affären zu spüren. Sowohl die sogenannten "CIA-Flüge" als auch die Tätigkeit deutscher BND-Agenten in Bagdad sind Altlasten, die Steinmeiers vergangene Amtsführung betreffen und seine neue behindern können. Von der Bundeskanzlerin droht ihm wahrscheinlich keine Gefahr, sie dürfte kein Interesse an seinem Sturz haben, wie wohl ihr eine aufarbeitungsbedingte Schwächung der SPD nicht ungelegen käme. Eher schon könnten manche Sozialdemokraten die Messer wetzen, die dem "Sozi ohne Stallgeruch" die Fortsetzung der Karriere nicht gönnen oder sich für frühere Zurückweisungen durch Schröders einstigen Einflüsterer rächen wollen.

Das Auswärtige Amt verkörpert sicherlich die wohl traditionsbewußteste Form deutscher Bürokratie. Nicht immer wurde jedoch die politische Spitze dem elitären Anspruch, den man an die sonstigen Mitarbeiter dort stellt, gerecht; wie der grüne Sponti oder - schon früher - der braune Sektvertreter bewiesen haben. Mit Frank-Walter Steinmeier ist dagegen wieder jemand am Werderschen Markt eingezogen, der dem Stellenwert auswärtiger Beziehungen für das größte Volk in der Europäischen Union gerecht zu werden scheint.


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