© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/06 20. Januar 2006

Fragebogen zur Einbürgerung sorgt für Bewegung
Ausländerpolitik: Weiter Kritik am baden-württembergischen "Gesprächsleitfaden" / Grüne für Ausländerquote in öffentlichen Ämtern
Peter Freitag

Wieder einmal haben sich die Parteien kontrovers des Themas Zuwanderung angenommen. Auslöser ist dafür nicht nur der von der baden-württembergischen Landesregierung entworfene Fragebogen, der einbürgerungswilligen Ausländern vorgelegt werden soll (JF 3/06), sondern auch der Plan der Bundesregierung, die Regeln für die Zuwanderung zu verschärfen.

Um Zwangsehen, Prostitution und Schleusungen zu erschweren, so die offizielle Begründung, soll Ehepartnern von in Deutschland lebenden Ausländern erst ab dem 21. Lebensjahr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Der über 200 Seiten umfassende Gesetzentwurf, der zur Zeit im Ressort von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) abgestimmt wird, soll außerdem vorsehen, daß eine Aufenthaltserlaubnis bei offenkundigen Scheinehen verweigert werden kann. Offenbar von den Niederlanden scheint man sich die Idee abgeschaut zu haben, den Nachzug eines ausländischen Ehegatten zusätzlich an dessen vorher belegte Kenntnisse der deutschen Sprache zu binden.

Vorgesehen ist in der geplanten Novelle ebenso die Speicherung digitaler Fotos in einem Zentralregister, um den Behörden die Identifizierung von Ausländern zu erleichtern. Nötig ist dies, um zukünftig besser zu verhindern, daß Ausländer staatliche Leistungen mehrfach beziehen können, oder aber um diejenigen, die sich durch Vernichtung ihrer Papiere der Ausweisung entzogen haben, abschieben zu können.

Ob der sozialdemokratische Koalitionspartner diese Pläne aus dem Schäuble-Ministerium uneingeschränkt unterstützen wird, ist derzeit noch ungewiß. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz äußerte bisher lediglich Bedenken bezüglich der Neufassung zum Familiennachzug: Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte Wiefelspütz, er halte "starre Altersgrenzen für ein ungeeignetes Instrument".

Initiative stammt von Schäubles Vorgänger Schily

Diesem Argument könnte Innenminister Schäuble jedoch entgegenhalten, daß die Pläne zur Heraufsetzung des Alters noch auf eine Initiative seines Amtsvorgängers Otto Schily (SPD) zurückgehen. Nadeem Elyas vom "Zentralrat der Muslime in Deutschland" hält das Vorhaben dennoch für "überzogen" und spricht von einer "unnötigen Erschwernis für die Integration". Außerdem könne nicht jede von den Familien arrangierte Ehe als Zwangsheirat bezeichnet werden, rechtfertigt Elyas entsprechende Traditionen seiner Glaubensbrüder.

Ungeachtet der praktischen Schwierigkeit, festzustellen, ob eine Scheinehe vorliegt (oder nicht), ist unter Verfassungsrechtlern offenbar umstritten, ob eine Ehe zwischen Deutschen oder Ausländern rechtlich unterschieden werden dürfe. Der ehemalige Verfassungsrichter Berthold Sommer äußerte gegenüber dem Tagesspiegel, daß eine gültige Ehe laut Artikel 6 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützt sei; andererseits meinen andere Juristen, daß sich daraus kein Rechtsanspruch auf Ehegattennachzug ableiten lasse.

Für die Linkspartei kritisierte deren stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Petra Pau, die erhöhte Altersgrenze für den Familiennachzug und die Schaffung eines "Sonderrechts auf Verdacht und Vorrat", das Zuwanderer unter Generalverdacht stelle. Die im Entwurf erwähnten Tatbestände seien ohnehin schon nach jetzt gültigem Recht strafbar. Ein Zentralregister mit gespeicherten Fotos lehnte die frühere DDR-Funktionärin entschieden ab.

Die Grünen beschlossen auf ihrer Klausurtagung im anhaltinischen Wörlitz unterdessen eigene Leitlinien zur Zuwanderungspolitik. Die traditionell besonders "ausländerfreundlich" und betont mulitikulturell auftretende Partei befindet sich offensichtlich in einer ideologischen Zwickmühle: Einerseits lehnt man hier weiterreichende Restriktionen wie etwa den baden-württembergischen "Gesinnungstest" ab, andererseits zeigen sich gerade die großen islamisch geprägten Zuwanderergruppen als am wenigsten kompatibel mit dem grün-konnotierten Wertekanon; gerade bei der "Stellung der Frau" oder "Rechten Homosexueller", die auch der Fragebogen aufgreift, dürfte der Hauptunterschied zwischen traditioneller mohammedanischer Lebensweise der Immigranten einerseits und dem Wunschbild grüner Parteigänger von einer modernen, linken Gesellschaft liegen.

Grüne fordern Zugeständnisse des Staates

Sehr wohl sähen die Grünen Fehlentwicklungen, sagte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast, die es zu beheben gelte. Dazu zählte sie die "Abschottung" großer Zuwanderergruppen, ferner die hohe Zahl von jungen Einwandererkindern ohne Schulabschluß und ein Umgang mit Frauen und Mädchen, der "vielfach nicht akzeptabel" sei, so Künast gegenüber der Welt am Sonntag. Sie betonte, die in Deutschland geltenden Grundwerte stünden nicht zur Disposition, lehnte aber den darauf abzielenden Begriff "Leitkultur" ab. Aufgabe aller sei es, den Zuwanderern diese Werte zu "erklären und zu vermitteln". Abhilfe erwarten die Grünen von weiteren Verpflichtungen des Staates und vermehrten Zugeständnissen an die Zugewanderten: Kindergärten und Schulen müßten "interkulturelle Erziehung ermöglichen", bessere Sprachförderung soll die Zahl ausländischer Abiturienten erhöhen; für deutsche Ämter und Behörden wünschen sich die Alternativen eine proportionale Besetzung mit Mitarbeitern nicht-deutscher Provenienz (Ausländerquote) und sie plädieren für die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer.

Gegen den Einbürgerungstest ("Gesprächsleitfaden"), den der Baden-Württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) eingeführt hat, ist unterdessen auch unionsinterner Widerspruch laut geworden. Bülent Arslan, Vorsitzender des "Deutsch-türkischen Forums (DTF)" der CDU, warf Oettinger in einem Interview mit der tageszeitung vor, über drei Millionen Menschen in Deutschland "unter Generalverdacht" gestellt und dadurch gegen christdemokratische Werte verstoßen zu haben. Das DTF forderte den Ministerpräsidenten in einem Brief auf, den Fragebogen zurückzuziehen, da er Vorurteile schüre und Entfremdung bewirke. Mit Blick auf den anstehenden Landtagswahlkampf drohte Arslan mit einer Unterschriften-Kampagne seiner Organisation gegen Oettingers Pläne.


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