© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/06 20. Januar 2006

Kolumne
Die Angst vor dem Staatsbankrott
Bruno Bandulet

Lange Zeit konnte man darüber rätseln, warum Gerhard Schröder im vergangenen Jahr Neuwahlen riskierte. Inzwischen wird der in der deutschen Politik einmalige Akt der Selbstentmachtung verständlicher. Die katastrophale Haushaltslage war offenbar der Hauptgrund dafür, daß Schröder das Handtuch warf. Das wird auch in SPD-internen Kreisen nicht mehr bestritten. Wie eng der Spielraum geworden ist, geht aus den jüngsten "Bemerkungen" des Bundesrechnungshofs zum Bundeshaushalt hervor. Danach mußten 2005 mehr als 90 Prozent der Steuereinnahmen allein für Sozialausgaben und Zinsen aufgewendet werden.

Damit stellt sich die Frage, ob Angela Merkel mit dem Kanzleramt nicht auch das der Konkursverwalterin übernommen hat. Schließlich kann von einer Sanierung der Staatsfinanzen nicht mehr ernsthaft die Rede sein. Neu aufgelegte Konjunkturprogramme und zuletzt auch der Kompromiß von Brüssel, als Merkel einer kräftigen Erhöhung der deutschen EU-Beiträge zustimmte, können nur noch durch zusätzliche Verschuldung finanziert werden. Treibt Deutschland dem Staatsbankrott entgegen? Ja, er ist vorstellbar, wenn man unter Staatsbankrott eine Situation versteht, in der die Regierung die Zinsen auf ihre Schulden nicht mehr zahlen kann, weil sie an den in- und ausländischen Kapitalmärkten keine Kredite mehr erhält. Bis dahin werden freilich noch Jahre vergehen. Noch profitiert die deutsche Volkswirtschaft von den geburtenstarken Jahrgängen aus der Zeit des Wirtschaftswunders. Etwa ab 2010 beginnt dieser Effekt zu verpuffen. Dann schnappt die demographische Falle zu. Dann beginnen die Jahre einer permanenten, sich ständig verschlimmernden Haushaltsmisere, die nach seriösen Berechnungen etwa im Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreichen wird. Derzeit kommen auf 44 Rentner 100 Personen im erwerbsfähigen Alter. Nach 2010 wird dieser sogenannte Altersquotient sukzessive ansteigen - bis auf 78 Rentner je 100 Erwerbsfähige. Die eigentliche Rentenkatastrophe steht noch bevor. Sie ist praktisch unabwendbar.

Wenn kein Wunder geschieht, wenn die Regierung weiterhin vor radikalen, kühnen Reformen zurückschreckt, endet der Prozeß in einer Enteignung der Vermögensbesitzer und Sparer: in einer Teilenteignung durch spezielle Vermögensabgaben, die den Bürgern auferlegt werden; oder in einer schleichenden Enteignung durch Inflation, die die bequemste Methode darstellt, die Staatsschulden zu entwerten; oder schließlich vielleicht doch in einem brutalen Kapitalschnitt, den man Währungsreform nennt.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des DeutschlandBriefes und des Finanzdienstes G&M.


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