© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/06 20. Januar 2006

Hühnerfüße und verdreckte Federn im Gepäck
Vogelgrippe: Die Vogelseuche ist noch nicht vollständig erforscht / Mensch-zu-Mensch-Übertragung theoretisch möglich
Curd-Torsten Weick

Wenn es um die sogenannte Vogelgrippe in Deutschland geht, zeigt sich der bayrische Minister für Umwelt und Verbraucherschutz Werner Schnappauf (CSU) von der optimistischen Seite. "Keine Panik, keine Hysterie", stattdessen "aber professionelle Vorsorge und Wachsamkeit." Gegenüber dem Deutschlandradio lobte er parallel dazu den geplanten Aufbau eines "mobilen Bekämpfungszentrums", auf das sich die Länderminister vergangene Woche verständigt hätten. Zwar habe Bayern bis dato gegenüber einem bundesweiten Vorgehen "etwas Zurückhaltung" gezeigt, weil man in der Vergangenheit bereits eine eigene Infrastruktur geschaffen hatte. Doch "angesichts der heranrückenden Gefahr" habe man sich nun gesagt: "Wir wollen alle an einem Strick ziehen, Bund und Länder, um unsere Bevölkerung und vor allen Dingen jetzt in dieser Phase, vor allen Dingen unsere Landwirtschaft, unsere Geflügelwirtschaft in Deutschland vor den Einschnitten dieses Virus, wenn irgend möglich, zu bewahren."

Aber ist es überhaupt möglich, Westeuropa und Deutschland vor einem Eindringen des H5N1-Vogelvirus' zu schützen? Wohl eher nicht. Entsprechend hält der Virologe am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Dr. Christian Drosten, einen Ausbruch der Vogelgrippe in Deutschland als Tierkrankheit für "nicht unwahrscheinlich". Und auch für den Vogelexperten der Naturschutzorganisation WWF, Hans-Ulrich Roesner, ist es letztlich nur eine "Frage der Zeit."

Demgegenüber schätzt das federführende Robert-Koch-Institut (RKI) solch eine Gefahr als "eher gering ein". Dennoch mochte es auch Susanne Glasmacher, Pressesprecherin des RKI, gegenüber Ökotest "nicht absolut ausschließen", daß "sich die Vogelgrippe in Deutschland breitmacht."

Zwar erklärte auch Virologe Dorsten, was das Vorbereitetsein auf einen Ernstfall angehe, Deutschland zum "Musterschüler". Doch reicht es, rigide auf den Flugplätzen gegen die - naiven oder ignoranten - Fluggäste vorzugehen, die in ihren Koffern "Hühnerfüße oder verdreckte Federn im Gepäck haben", und die, so der WWF-Artenschutzexperte Stefan Ziegler, nicht wissen, daß die Viren bei Raumtemperatur mindestens drei Monate lebensfähig sind? Hilft ein EU-weites Importverbot von Geflügel, Geflügelfleisch, Eiern und Federn aus von der Vogelgrippe befallenen Ländern? Der globale Handel ist kaum zu kontrollieren und ebenso der Schmuggel an den Außengrenzen der EU. Es sei "nicht hinnehmbar", daß in Bayern auf den Autobahnstrecken und am Münchner Flughafen ständig illegale Importe von Geflügel und Geflügelprodukten festgestellt würden, betonte Verbraucherschutzminister Schnappauf gegenüber dem Nachrichtensender N-TV und legte die Finger auf die Wunde.

Grenzen kennen dagegen die Zugvögel, die sich ab Februar wieder auf ihren Weg in die europäische Heimat machen, nicht. Doch ob sie den Virus mitbringen ist ungewiß. Am Virus erkrankte Vögel sind eher zu schwach, um weite Strecken zu fliegen. Aber Möglichkeiten der Übertragung auf andere Vögel sind immer denkbar. Aus diesem Grunde kam es nach Ausbruch der Vogelgrippe in der Türkei und Rumänien im vergangenen Oktober zur Stallpflicht für Geflügel. Die wurde aber dann Mitte Dezember 2005 wieder aufgehoben.

Erst als die Vogelgrippe durch allzu engen Kontakt mit Hühnern in der Türkei auf Menschen übersprang, wurde das zum nationalen und internationalen Thema. Nun wird national wieder die Stallpflicht eingeführt und die Impfung des Hausgeflügels diskutiert. Die EU will für eine bessere Kontrolle ihrer Außengrenzen sorgen, und auf internationaler Ebene traf man sich in Peking, um in einer großen Geberkonferenz den betroffenen Ländern zu helfen und der Gefahr einer Pandemie vorzubeugen. Einer weltweiten Epidemie, die, falls sich der Erreger der Vogelseuche in eine von Mensch zu Mensch übertragbare Form verändern sollte, mit Millionen von Toten enden könnte.

Die Frage ist nur, ob und wann letzteres geschehen könnte. "Wir haben ein paar Ideen, wie das geschehen kann", erklärte John Treanor, Professor für Medizin, Mikrobiologie und Immunologie an der University of Rochester, gegenüber Focus online, "aber genau wissen wir es noch nicht. Welche genetische Veränderung dazu nötig ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit diese auftritt, ist eine bisher noch offene Frage."

Informationen zur Pandemieplanung und Antworten auf häufige Fragen sind auf der Internetseite des Robert-Koch-Instituts zu finden: www.rki.de  (Stichwort: Infektionskrankheiten/Influenza/Influenzapandemieplanung)


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