© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/06 27. Januar 2006

Frage der Pressefreiheit
NRW-Verfassungsschutz: Ein Erörterungstermin zwischen der JF und dem NRW-Innenministerium endet ergebnislos
Hans-Peter Rissmann

Am vergangenen Freitag nahm das Verwaltungsgericht Düsseldorf (VG) den "Fall JF gegen NRW" wieder auf. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 24. Mai 2005 mit einer vielbeachteten Entscheidung die Urteile des Verwaltungsgerichts (VG) Düsseldorf von 1997 und des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster von 2001 aufgehoben, die es für rechtens erklärt hatten, daß die JUNGE FREIHEIT in den Kapiteln "Rechtsextremismus" des NRW-Verfassungsschutzberichtes für 1994 und 1995 erwähnt wurde.

Karlsruhe hatte einige grundsätzliche neue Erwägungen zur Problematik des Grundrechtseingriffs, das heißt konkret, der Verletzung von Meinungs- und Pressefreiheit, durch Verfassungsschutzberichte getroffen. In der Sache selbst müsse jedoch das untergeordnete Gericht neu entscheiden. Der Präsident des VG Düsseldorf und in diesem Verfahren vorsitzende Richter, Reinhard Klenke, hatte nun zunächst zu einem nichtöffentlichen Erörterungstermin geladen, um auszuloten, ob es die Möglichkeit zu einer außergerichtlichen Beilegung des Streites gäbe. Erschienen zum Termin waren von der Klägerseite Generalbundesanwalt a. D. und Rechtsanwalt Alexander von Stahl sowie JF-Chefredakteur und Geschäftsführer Dieter Stein, von der Beklagtenseite zwei Rechtsanwälte sowie drei Vertreter des NRW-Innenministeriums. Anwesend waren aber weder der Innenminister Ingo Wolf (FDP) noch der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Hartwig Möller. Die JF sprach nach der Verhandlung mit Alexander von Stahl.

Herr von Stahl, was können Sie über den Verlauf des Erörterungstermins sagen?

von Stahl: Das Ergebnis des länger als zwei Stunden dauernden Erörterungstermins in nichtöffentlicher Sitzung vor der ersten Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf unter dem Vorsitz und der Leitung des Präsidenten des Gerichts Professor Klenke stimmt mich nicht sehr optimistisch und hoffnungsfroh. Das beklagte Land NRW war durch zwei Anwälte und drei Mitarbeiter des Innenministeriums vertreten. Richter Klenke beteuerte in seinem "Statement" unter anderem, daß die Kammer die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung der inkriminierten Artikel der jungen freiheit aus den Jahren 1994/95 und dessen Vorgaben zur Unterscheidung zwischen den Beiträgen von Fremdautoren und Redaktionsmitarbeitern peinlich genau beachten werde. Im weiteren Verlauf der zeitweise hart geführten Diskussion ließ er aber deutlich erkennen, daß die Kammer nicht bereit ist, ihre Wertung aus dem ersten Urteil des Jahres 1997 insgesamt zu revidieren. Besonders irritierend war, daß der Vorsitzende auch auf die offensichtlich falschen Interpretationen einzelner Artikel aus dem ersten Urteil beharrte. Zum Beispiel, daß er eine Glosse, die sich gegen Antisemiten wandte, nach wie vor als "antisemitisch" bezeichnete, obwohl dies bereits 1995 bekannt war. Kommt es zu einer Entscheidung, ist also nach wie vor mit einer Klageabweisung zu rechnen.

Halten Sie dennoch einen Vergleich für denkbar?

von Stahl: Der Vorsitzende hat keinen Entscheidungstermin angesetzt, sondern die Parteien aufgefordert, einen außergerichtlichen Vergleich zu suchen. Erst auf Antrag einer der beiden Parteien wird ein Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Entscheidung festgesetzt. Es kommt jetzt also darauf an, ob sich die Landesregierung endlich bewegt.

Was wäre die Voraussetzung für einen Vergleich zwischen der JF und dem Land NRW?

von Stahl: Wie schon im vergangenen Jahr kurz nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, so hat die JUNGE FREIHEIT dem Innenministerium gegenüber auch jetzt wieder angeboten, die Klage zurückzunehmen, wenn das Innenministerium NRW einräumt, daß in der Vergangenheit die Berichterstattung über die JUNGE FREIHEIT nicht den späteren Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht und daß man sich in Zukunft an diese Vorgaben halten werde. Die Vertreter des Landes NRW zeigten sich auch diesmal nicht bereit, für die Vergangenheit irgendeine Erklärung abzugeben.

Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen? Oder anders gefragt: Wie sind die Erfolgsaussichten?

von Stahl: Die Chancen, mit dem Land NRW doch noch zu irgendeiner Einigung zu kommen, beurteile ich nicht als sonderlich groß, aber auch nicht als gänzlich aussichtslos. Es ist die Frage, ob Innenminister Wolf begreift, daß diese Entscheidung im Kern die liberale Haltung zur Pressefreiheit betrifft.

 

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