© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/06 27. Januar 2006

Die Heldin von Altona
Tragiklamauk: "Eine andere Liga" von Buket Alakus
Claus-M. Wolfschlag

Nachdem Fatih Akins "Gegen die Wand" 2004 für Furore sorgte, folgt nun ein weiterer deutsch-türkischer Kinofilm, dessen Handlung in der Metropole Hamburg spielt. Doch was Buket Alakus, 1971 in Istanbul geboren und in Hamburg aufgewachsen, den Zuschauern in ihrem zweiten Spielfilm darbietet, ist keine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Problemen deutsch-türkischer Identitätssuche, als vielmehr ein Versuch, dessen Genre seltsam undefiniert bleibt. Nennen wir es einfach einen Frauenfilm.

Als die 20jährige Hayat (Karoline Herfurth) aus dem Krankenhaus wieder nach Hause zurückkehrt, scheint sich ihr bisheriges Leben in Luft aufgelöst zu haben. Krebs war ihr diagnostiziert worden, und nun fehlt dem jungen Mädchen eine Brust. Sie sieht in den Spiegel, meint nur noch einen häßlichen Torso erkennen zu können. Lebensmüde Apathie wechselt bei ihr mit rauschhaft-emotionalen Ausbrüchen. Dann beschließt sie gegen den Widerstand ihres besorgten Vaters Baba Can (Thierry Van Werveke), so rasch wie möglich dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatte. Hayat ist eine Kämpferin.

Trotz Beurlaubung meldet sie sich wieder in der Goldschmiedewerkstatt zur Arbeit, da ihre Gesellenprüfung kurz bevorsteht. Sie sucht auch ihre alte Frauenfußballmannschaft wieder auf, wird aber nicht mehr in das Team aufgenommen. Schließlich landet sie in einer neuen Mannschaft, einem wild zusammengewürfelten Haufen unter dem Trainer Toni (Ken Duken). Dessen unermüdliche Flirtversuche läßt Hayat stets ins Leere laufen, aus Angst vor Entdeckung ihres körperlichen Makels. Doch längst brennt in dem innerlich zerrissenen Mädchen auch das Liebesverlangen nach dem rauhbeinigen Macho.

"Eine andere Liga", koproduziert von ZDF und Arte, möchte zuviel gleichzeitig sein - Krankheitsdrama, Emanzipationsschilderung, Fußballkomödie und Liebesromanze. Das paßt nicht zusammen. Das Mitgefühl und die Tragik des jungen Mädchens wird im nächsten Moment durch albernen Teeny-Klamauk unterbrochen. Der komödiantische Reigen erfährt dagegen beständig Dämpfer durch die Erinnerung an die schwere Krebserkrankung und den Konflikt mit dem Vater. Hinzu kommen Ungereimtheiten. So weiß man nie, von wem Toni eigentlich als Trainer angestellt wurde. Anfangs macht er nichts als Biertrinken und Zeitunglesen. Erst mit Hayats Eintrudeln entwickelt er sportive Aktivitäten. Der Vater schwankt stets zwischen autoritärer Strenge und weinerlicher Gutmütigkeit. Eine Festlegung und Strukturierung sowie weniger Erzählstränge hätten dem Geschehen jedenfalls gutgetan.

Türkische Ressentiments bleiben zum Glück im Hintergrund und treten nur geringfügig auf. So etwa wenn Hayats größte Feindin von einer bösartigen hanseatischen Blondine verkörpert wird, die in der gegnerischen Fußballmannschaft aus nordischen Amazonen antritt - und selbstverständlich das Spiel gegen Hayats "Multikulti"-Truppe verliert.

Überhaupt ist das Geschehen überaus berechenbar. Die deutschen Blondinen sind herzlos, haben aber keine Chance. Hayat schießt natürlich in der letzten Minute das Siegtor und wird Heldin von Altona. Und selbstverständlich wird Hayat trotz Schwächeanfalls wieder gesund.

Toni unterdessen bleibt hartnäckig. Hoffnungslos romantisch zeigt Buket Alakus die Annäherungsversuche des Trainers an die junge Türkin. Warum sich der alternde Casanova, der scheinbar schon viele Affären mit seinen Schützlingen hatte, gerade die eher unscheinbare Hayat für sein aufwendiges Programm mit Kerzenschein und Schlummermusik ausgesucht hat, wird indes nicht gefragt. Egal, natürlich finden beide zueinander. Das Drama gleitet hier endgültig zum Herzensfilmchen für weibliche Singles ab.

Daß es dennoch Spaß macht, den Film anzusehen, liegt am Schwung der Inszenierung. Hervorragend ausgewählte Musikeinspielungen verstehen es, dem Geschehen Energie einzuhauchen, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Karoline Herfurth spielt die Heldin zudem mit beeindruckender Empathie und rührt den Zuschauer stets, am Schicksal der jungen Hayat teilhaben zu wollen. So bleibt ein leidenschaftliches Plädoyer für das Leben. Das ist doch nicht das schlechteste.

Hayat (Karoline Herfurth), Toni (Ken Duken): Das Herz seufzt Foto: wüste film / Nicole Manthey


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