© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/06 03. Februar 2006

Frisch gepresst

Abgehörte Generäle. Der junge Mainzer Historiker Sönke Neitzel, Mitglied des Beraterstabes für den ZDF-Geschichtenerzähler Guido Knopp, hat eine naheliegende und bemerkenswerterweise bisher nicht berücksichtigte Quelle zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs ediert und mit einer ausführlichen Einführung versehen. Tatsächlich lassen die Abhörprotokolle aus dem britischen Verhörzentrum Trent Park nördlich von London viele Aufschlüsse auf die dort gefangenen und abgehörten Stabsoffiziere und Generäle der Wehrmacht zu, die sich seit der Niederlage in Nordafrika 1942 vermehrt dort aufhielten. In verwanzten Räumen wurden sie hier über ihr Verhältnis zum Regime und natürlich über militärische Geheimnisse vom britischen Geheimdienst ausgehorcht. Dabei liefern die deutschen Offiziere, die zunehmend freimütiger plauderten, ein ziemlich heterogenes Bild ihrer Gesinnung und Haltung. Zu der heute interessanten Frage, inwieweit die deutsche Wehrmacht in den Judenmord verwickelt war, geben die Abhörprotokolle außer der Klage über "Vorgänge" im Rücken der Ostfront allerdings weniger konkrete Auskunft, als es einige Rezensionen dieses Buches bisher andeuteten (Abgehört. Deutsche Generäle in britischer Kriegsgefangenschaft 1942-1945. Propyläen Verlag, Berlin 2005, 638 Seiten, gebunden, Abbildungen, 26 Euro).

 

Afrika. Die Kenntnis der Geschichte des "schwarzen Kontinents" dürfte sich bei einem Großteil der Europäer auf die etwa einhundertfünfzigjährige Episode ihres eigenen Kolonialismus beschränken. Allenfalls die postkolo-nialistische Zeit, deren späte Erscheinungen in Form der despotischen Herrschaft eines Robert Mugabe sogar bis heute reichen, hat den Blick auf die autochthonen Völker zwischen Sahara und Kap der Guten Hoffnung gelenkt. Der emeritierte Hamburger Afrikahistoriker Leonhard Har-ding schließt nun in der berühmten Handbuchreihe des Olden-bourg-Verlages diese Lücke und bietet eine interessante Einführung, um auch die potentiellen Konflikte der Zukunft, seien es Ovambo und Herero in Namibia, Xhosa und Zulu in Südafrika oder die durch den Völkermord 1994 bereits bekannt gewordenen Völker der Tutsi und Hutu in Zentralafrika mit ihren historischen Wurzeln begreifbar zu machen (Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert. München 2005, 272 Seiten, broschiert, 24,80 Euro).

 

Neue Rechtschreibung. Entgegen allen Beteuerungen, daß es sich bei der Rechtschreibreform um eine Neuregelung handele, die vormals "noch nie so gut vorbereitet wurde" (so der Reformer Wolfgang Mentrup 1985), muß heute konstatiert werden, daß die "Reform" zur völligen Sprachverwirrung und die gelehrte Praxis sogar zur Vergewaltigung der deutsche Sprache führte. In ihrer scharfen Abrechnung mit dieser sowohl unnötigen als auch stümperhaft vermittelten "Neuen deutschen Rechtschreibung" rufen die Autorinnen Claudia Ludwig und Karin Pfeiffer zur Umkehr auf, bevor in wenigen Jahren tatsächlich zum Massenphä-nomen wird, was sich heute bereits andeutet - jeder schreibt, wie er will, ohne überhaupt noch eine Rechtschreibnorm zu beherrschen (Der große Blöff. Neue deutsche Rechtschreibung: einfach unlern-bar. Stolz Verlag, Düren 2005, 93 Seiten, broschiert, 7,50 Euro).

 

Lübisches Recht. Ein bibliophiles Kleinod hat der Hamburger Verleger Peter Jancke jetzt in kleiner Auflage herausgebracht. "Der Kolberger Kodex des Lübischen Rechts von 1297", so der Titel, ist ein schön gestalteter Reprint mit angefügter Übersetzung aus dem Mittelhochdeutschen. Jancke präsentiert mit dem Beispiel der pom-merschen Küstenstadt einen eindrucksvollen Beleg für die deutsche Rechtskultur während der um diese Zeit in die Hochphase tretenden Ostkolonisation (Verlag Peter Jancke, Hamburg 2005, 247 Seiten & Glossar, kartoniert, 78 Euro).


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