© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/06 03. Februar 2006

Die Macht und der Raum
Geopolitik neuentdeckt
Wolf Tietze

Die Geopolitik, die Wissenschaft von den Wechselbeziehungen zwischen dem irdischen Raum und jeglicher Form menschlicher Machtkonzentration kultureller, wirtschaftlicher oder - vor allem - militärischer Art, hatte in Deutschland in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ein im internationalen Vergleich hervorragendes Niveau erreicht.

Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg ist dieser Wissenschaftszweig derart in Mißkredit gekommen, daß die Geopolitik aus dem Kanon von Forschung und Lehre der deutschen Universitäten verschwunden ist. Von einer nennenswerten Literatur kann kaum noch die Rede sein. Und das Ansehen der letzten herausragenden Exponenten als Persönlichkeiten und Wissenschaftler wurde herabgewürdigt und mit der Faschismuskeule erschlagen - oft ganz zu Unrecht, wie zum Beispiel im Fall von Karl Haushofer und Oskar von Niedermayer, den letzten Großen des Fachs.

Zum Glück gibt es einige Ausnahmen. Dazu gehört Heinz Brill, 1940 geboren und mittlerweile Oberstleutnant außer Diensten. Er nutzte die Möglichkeiten, die ihm die Bundeswehr in Forschung und Lehre gewährt hat und als Glied der Nato gewähren konnte. Da außerhalb Deutschlands der gegen die Geopolitik gerichtete Bannstrahl nicht galt, konnte diese dort ihre glanzvolle wissenschaftliche Tradition fortsetzen und sich in vielen neuen Varianten entfalten. Brill hat damit Schritt gehalten und seit dem letzten Viertel des letzten Jahrhunderts in zahlreichen Aufsätzen brillante Ansichten zu aktuellen geopolitischen Situationen präsentiert, wofür der Kalte Krieg und der Zusammenbruch des Sowjetimperiums, aber auch die Entkolonialisierung und die Globalisierung mannigfaltige Gelegenheiten geboten haben.

Diese Aufsätze, eher in weniger massenwirksamen Organen publiziert, sind eine Fundgrube für den nun allmählich wieder wachsenden Interessentenkreis in unserem Lande. Unter Studierenden und Lehrenden, bei Wirtschaftlern und Journalisten und vor allem Politikern dürften sich viele finden, die den Erkenntnisgewinn dieser Lektüre zu schätzen verstehen.

Heinz Brill: Geopolitische Analysen. Beiträge zur deutschen und internationalen Sicherheitspolitik 1974-2004. Biblio Verlag, Bissendorf 2005, 459 Seiten, gebunden, Abbildungen, 34 Euro


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