© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/06 10. Februar 2006

Ruth Geede
Der Heimat Gesicht
von Bernhard Knapstein

Nur drei Frauen haben bisher die höchste Auszeichnung der Landsmannschaft Ostpreußen, den Preußenschild, verliehen bekommen. Eine davon war die Dichterin Agnes Miegel. Eine andere ist Ruth Vollmer-Rupprecht, den meisten unter ihrem Geburtsnamen Geede bekannt, die am 13. Februar ihren neunzigsten Geburtstag feiert.

Es war Agnes Miegel, die die im Kriegswinter 1916 in Königsberg geborene Ruth Geede in den dreißiger Jahren ermunterte, ersten Veröffentlichungen ein publizistisches Lebenswerk zur Bewahrung des Heimatgedankens folgen zu lassen. Was 1935 mit "De Lävenstruuß", ihrem ersten Buch mit plattdeutschen Märchen und Sagen aus Ostpreußen, begann, mündete in einem Gesamtwerk von bisher über fünfzig Büchern mit Lyrik und Prosa nebst Hörspielen und Bühnenstücken. Und die nächste Publikation, ihre Kindheits- und Jugenderinnerungen, ist bereits in Arbeit.

Im Jahr ihrer kritischen Geburt, die kleine Ruth war ein Frühchen, wurde ihre spätere Mentorin als größte deutsche Dichterin mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet. Als Achtjährige erlebt Geede, deren Vater Quästor an der Königsberger Albertina ist, die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Miegel mit. Als Schülerin des Bismarck-Oberlyzeums wird sie deren "Geschichten aus Altpreußen" lesen. Die Faszination für ihre Heimat erfaßt die kulturell und musisch erzogene Marjell. Erste Hörspiele für den Reichssender Königsberg und Erzählungen in Platt schreibt sie mit siebzehn.

Miegel und Geede arbeiten bis zur Flucht über die Ostsee in Königsberg. 1948 beginnt Geede ein Volontariat bei der Landeszeitung Lüneburg, deren Hamburg-Redaktion sie später für einige Jahrzehnte übernehmen wird. Wesentlicher Eckstein im schöpferischen Wirken der Journalistin ist die in den sechziger Jahren begründete und von ihr 1979 übernommene Rubrik "Die ostpreußische Familie" im Ostpreußenblatt, heute Preußische Allgemeine Zeitung. Was zunächst nur ein "schwarzes Brett der Ostpreußen" ist, macht sie zu einer unverzichtbaren Institution: Ob dramatische Erinnerungen und Humoresken zu vermitteln oder Familien zusammenzuführen sind, sie trifft stets den richtigen Ton. Ihre Leser zeigen sich dankbar und mitteilungsfreudig. Aus einer kleinen Kolumne ist das Dialog-Forum eines ganzen Volksstammes geworden. Mit preußischer Disziplin und wahrer Leidenschaft verarbeitet die bald Neunzigjährige ein unermeßliches Aufkommen an Leserpost. Längst bekennen sich auch Nicht-Ostpreußen zur Sucht nach jenen Zeilen, die stets mit einem herzlichen "Lewe Landslied!" beginnen.

Ihre Leser nennen die vielfach Ausgezeichnete liebevoll "Mutter der ostpreußischen Familie". Eine Huldigung, die zuvor nur Agnes Miegel zuteil wurde. Wie diese beschreibt Geede ihre Heimat nicht nur, sie verkörpert sie. Auf Ruth Geede trifft der Satz des Dichters Walter Scheffler zu: "Ich trag meiner Heimat Gesicht."


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