© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/06 10. Februar 2006

Koordiniertes Gedenken
Geschichtspolitik II: Sachsen-Anhalt plant Stiftung
Ekkehard Schultz

Nachdem Sachsen vor zwei Jahren eine gemeinsame Gedenkstättenstiftung eingerichtet hat, in der die Erinnerungsarbeit an beide Diktaturen auf deutschem Boden koordiniert wird, will nun auch Sachsen-Anhalt diesen Weg einschlagen. Am 22. Dezember 2005 legte der Innenminister, Klaus Jeziorsky (CDU), dem Landtag einen Gesetzentwurf für ein Stiftung für die "Opfer von Gewaltherrschaft und Unrechtsregimen" vor, die bereits am 1. Januar 2007 ihre Arbeit aufnehmen soll.

Die Regierungskoalition von CDU und FDP begründete den Plan einer gemeinsamen Stiftung damit, daß nur auf diesem Wege "der Bestand und die Arbeit von Gedenkstätten" langfristig gesichert werden könne. Zudem sei eine solche Institution die Grundlage, um auf unbürokratischem Weg "an Bundesmittel zu der Finanzierung" der einzelnen Institutionen des Erinnerns zu gelangen. Die Opposition sieht dagegen in der Vorlage den Versuch, einen komplizierten Sachverhalt in "blitzartiger" Art und Weise vor den Landtagswahlen "durchzubringen". Während die SPD in erster Linie die mangelnde Überarbeitungszeit kritisiert, sieht die Linkspartei den Versuch des "Geschichtsrevisionismus".

Dabei stützt sie sich auf die scharfe Kritik der Opferverbände der NS-Diktatur, die in einer gemeinsamen Gedenkstättenstiftung die Gefahr sehen, daß dort eine "Gleichsetzung" von nationalsozialistischen und kommunistischen Verbrechen stattfinden könnte. Der Zentralrat der Juden in Deutschland warnte in einer Stellungnahme davor, daß sich bei der Gründung einer solchen Institution "die politische Einflußnahme" des Landes auf deren Tätigkeit unweigerlich erhöhe. Da die Regierung und insbesondere die CDU der Totalitarismustheorie anhänge, seien Konflikte vorprogrammiert. Das für die Ausrichtung der praktischen Arbeit wesentliche Gremium setze sich dann - so der Zentralrat - vornehmlich "aus Angehörigen der Ministerialbürokratie" zusammen. Den Opferverbänden würde dann "lediglich eine dekorative Rolle ohne jeden Einfluß" zukommen.

Der Zentralrat wies auf einen möglichen Austritt der Opferverbände der NS-Diktatur aus einer gemeinsamen Stiftung wie in Sachsen hin. Dort waren im Januar 2004 aus Protest sämtliche Verbände der Verfolgten durch die Nationalsozialisten, darunter der Landesverband der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Jüdische Gemeinde Dresden unter Protest aus den Gremien der Gedenkstättenstiftung ausgetreten.

Bei der ersten Beratung des Papiers im Landtag am 19. Januar kritisierte die Linkspartei zudem, in dem vorliegenden Entwurf sei vorgeschrieben, daß die Stiftungsbeiräte ihre Vertreterinnen und Vertreter auf der Grundlage des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR überprüfen lassen müßten. Der "Zweck" einer solchen Regelung, "erschließt sich" der Partei nicht, sagte ihr Abgeordneter Matthias Gärtner.


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