© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/06 10. Februar 2006

Mode zur FIFA-WM 2006: Von der Wahrheit auf dem Platz zur Abendgarderobe
Der Ball ist rund - und kleidsam
Christoph Martinkat

Z eiten waren das, als ein Bolzplatz noch Plumpe und nicht etwa Allianz-Arena hieß. Und Fußballer tüchtige Arbeiter waren, die noch nicht druckreif redeten, geschweige denn wußten, wie Establishment geschrieben wird. In jedem Spiel fielen mindestens 13 Tore und nicht nur wie heute eines, das dann in 13facher Superzeitlupe zu begutachten ist. Zeiten, in denen die Sprüche des legendären Sepp Herberger, erst Reichs-, später Bundestrainer, noch etwas galten, weil sie die Worte eines aufrechten und unerschrockenen Mannes waren. Etwa jener, in der Herberger die Fußball-Wahrheit allein auf dem Platz vermutete. Doch das ist lange her.

Mode und Fußball: Sturmangriff auf dem Laufsteg

Die Wahrheit des Fußballs im Medienzeitalter liegt überall, nur nicht auf dem mittlerweile beheizbaren Roll-rasen. Sie liegt vielleicht in Ronaldos goldfarbenem Fußballschuh, in Ballacks trendiger Straßenkluft oder in Beck-hams neuester Frisur. Denn die Fußballidole von heute geben sich zielsicherer in Werbespots oder auf dem Laufsteg als am Elfmeterpunkt. Ihre fotogenen Gesichter bürgen für die Qualität eines Rasierwassers, einer Auto- oder Beklei-dungsmarke. So gesehen trifft der aktuelle Kulturbeitrag zur FIFA-WM 2006 "Catwalk with Ball" auch ohne argumentative Nachhilfe ins Netz. Während etwa die Verbindung von Fußball und Kunst immer wieder an der Diskrepanz von Kopf und Körper scheitern muß, sind Mode und Fußball Zeitgeister, die sich nahestehen: Ein Zuviel an Geist bekommt ihnen nicht.

Teils unterhaltsam, wenn ironisch gebrochen, gehen nun jene Modemacher mit dem Thema um, die in das Finale des WM-Projekts Laufsteg mit Ball eingezogen sind. So zeigt etwa die "Ballroom Fashion" in Berlin, was Jungdesignern zum Thema gehobene Abendbekleidung für Fußballer nebst weiblicher Begleitung so alles einfällt. Einiges davon kann sich sehen lassen, wenngleich modelnden Fußballnationalspielerinnen wie Britta Carlson und Heike Mittag anzumerken ist, daß sie den Trainingsplatz bevorzugen. Mit ihren Kreationen im Fußball- und Tornetzdesign überzeugen neben den Preisträgerinnen Nadja Stegmaier und Angela Prochnow vor allem die professionellen Models. Dennoch, es muß wohl ein Geheimnis bleiben, wie sich etwa die junge Schönheit in Stegmaiers schwarzweißgepunktetem Ball-Kleid auf einen Stuhl setzt und wie ihr das wohl bekommt. Auch bleibt fraglich, wie sie die Handtasche im Rundlederformat auf den Garderobentisch zu plazieren gedenkt. - Doch muß gute Mode auch praktisch sein?

Solcherlei Fragen entzieht sich die weit weniger elegante Abendgarderobe Angela Prochnows vorab. Prochnows samtfarbige Kleider oder schwarze Schiri-Jacken mit spröden Tornetz-Applikationen sorgen zumindest dafür, daß man schlagartig weiß, was auf dem Laufsteg gespielt wird: nämlich Modekunst zum Thema Fußball. Nicht nur der einfältige Fußballnarr denkt sich beim Anblick jener Tornetz-Accessoires, daß sie ohne Kleidung drunter weit besser zur Geltung kämen. Sagen tut's freilich niemand.

Platzverweise für biedere und uninspirierte Entwürfe

Der Nachweis, daß selbst die nüchternsten Elemente des Spiels, etwas Rasen und Spielfeldmarkierungen, gelbe und rote Karte durchaus kleiden können, obliegt eigentlich erst Teil 2 der WM-Modenschau: Unter dem Titel "Elements of the Game" laufen in Düsseldorf Bundesligaspieler wie Stefan Buck oder Sabrina Ullmer, Lebensgefährtin von U21-Nationalspieler Benjamin Auer, als Models über den Modesteg. Doch auch hier wirkt vieles in seinem ungefilterten Fußballbezug eher plump. Sei es der BH in den Primärfarben Gelb und Rot oder ein Frauenbein in schwarzen Stulpen. Die Mode wirkt zumeist so bieder und uninspiriert wie die Jungs vom DFB. Sie bettelt förmlich um den Platzverweis.

In dem dreiteiligen Wettbewerb, der unter dem Anglizismus "Fashion meets Fußball" firmiert, reißt auch das abschließende Mode-Fußball-Event "New Fanwear", das die Teilnehmer auf sportliche Bekleidung für internationale Fans einschwor, nichts mehr heraus. Denn zu den Landesfarben der diversen Fußballweltmeister weiß man ohnehin, was einen erwartet: Über allem steht Brasil, das Reich des Sambas, des heißen Bluts und der spielerischen Eleganz, in den Farben Gelb und Grün auf kaffeebrauner Haut.

Daneben hat nur noch das Azurblau von Bella Italia Bestand: mit den geschmackvoll auf Tradition gestylten Trikots und hübschen Römern wie Francesco Totti darin. Da liegt die Mode bereits auf dem Platz und braucht keinen künstlichen Laufsteg. Es gibt also doch noch ein Stück Wahrheit auf dem Fußballfeld. Sie sieht nur ganz anders aus als zu Herbergers Zeiten.

Ballkleid zur Fußball-WM: Entwurf von Gewinnerin Nadja Stegmaier Foto: Picture-Alliance / dpa


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