© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/06 17. Februar 2006

Kolumne
Der späte Sieg der "Schwarzseher"
Klaus Hornung

Wer vor 20 Jahren öffentlich vor den Folgen ungezügelter Einwanderung warnte, wurde rasch als Schwarzsehe, Fremdenfeind und natürlich gleich als Rechtsradikaler attackiert. Nun beginnen sich die Befürchtungen von einer Verwandlung Europas in ein überdimensioniertes Bosnien-Herzegowina oder einen europäischen Libanon Schritt für Schritt zu bestätigen. Multikulturelle Träume platzen. Aus der "Zuwanderung" von Arbeitskräften sind längst Ghettos und Parallelgesellschaften entstanden, Einwanderung wandelte sich in Landnahme, Europa ist auf dem Weg zu einem ethnisch-kulturell-religiösen Flickenteppich, die ideale Voraussetzung für einen "Kampf der Kulturen".

Die Einwanderer und ihre Wortführer verstehen ihre Migration als ihr selbstverständliches "Menschenrecht", und sie haben längst begriffen, daß Menschenrechte ohne Menschenpflichten heute im Westen die Wirkung eines "Sesam öffne dich" haben. Man lese einmal Max Frischs Parabel über "Biedermann und die Brandstifter" nach, um zu erkennen, wie das läuft. Aber noch wollen die Kommandohöhen in Medien, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und "Kultur" der Öffentlichkeit die Ohren verschließen vor den Warnrufen des kühlen Harvard-Professors Samuel P. Huntington, vor dem "Zusammenstoß der Kulturen", jener Prognose der Zukunft, die freilich den Hoffnungen auf den globalen "Fortschritt" zur One World fundamental widerspricht und den Wortführern der Globalisierung als gefährliches Störpotential erscheinen muß, eben als Schwarzmalerei, Vorschub für Populismus und Schlimmeres - siehe oben.

Dabei ist der Harvard-Mann alles andere als ein Scharfmacher, sondern nur ein Historiker mit Geschichtskenntnis und -bewußtsein, die heute in Europa und zumal bei den Deutschen so sehr zur Mangelware geworden sind. Es geht bei Huntington um nicht weniger als um die Selbstbehauptung des Kulturkreises Europa gegen die wiederaufsteigenden außereuropäischen Kulturen aus alten Wurzeln. Es geht um Prozesse und Umbrüche der großen historischen Zeiträume. Und da müßten Grunddaten der Epoche wie die Bevölkerungsexplosion und Migration bei den einen und der Geburtenschwund und das labile kulturell-politische Selbstbewußtsein der anderen den Westens eigentlich wachrütteln. Statt dessen neigen die Kommandohöhen noch immer zur Beschwichtigung und verteufeln die Überbringer der Botschaft, anstatt sich Klarheit über den Vorgang zu verschaffen. Man könnte dann zum Beispiel in den Schulen mal Max Frischs Parabel lesen oder auch Oswald Spengler.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen