© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/06 17. Februar 2006

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Entlastung
Karl Heinzen

Bezieher geringer Einkommen subventionieren die Renten der Besserverdiendenden: Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) an der Universität Köln, das vom SPD-Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach geleitet wird. Die Erklärung für dieses Phänomen liegt, so die Wissenschaftler, in einer geringeren Lebenserwartung derjenigen, die in ihrem Berufsleben nicht allzu viel erreicht haben.

Wer durchschnittlich über 4.500 Euro brutto an Monatseinkommen erzielte, hat als Mann eine statistische Lebenserwartung von 80, als Frau gar von 87,2 Jahren. Wer es hingegen zu weniger als 1.500 Euro brachte, lebt im Schnitt als Mann lediglich 71,1, als Frau 78,4 Jahre. Jeder Fünfte aus dieser Gruppe stirbt gar, bevor das Renteneintrittsalter erreicht ist. Die Geringverdiener zahlen insgesamt mehr in die gesetzliche Altersversorgung ein, als sie aus dieser später wieder herausbekommen. Mit der Differenz finanzieren sie die Renten jener mit, die zunächst als Erwerbstätige mehr verdienen und später als Ruheständler länger leben.

Wer immer nur nach gesellschaftlichen Schieflagen schielt, mag diese Studie nun natürlich als Erhärtung der uralten These lesen, daß ein Zusammenhang zwischen dem Wohlstandsniveau und der Lebensdauer eines Menschen besteht. Klagen über eine offenbar doppelte Benachteiligung der sozial Schwachen helfen jedoch nicht weiter. Statt dessen sollte man eher die positiven Aspekte dieser Forschungsergebnisse hervorheben: Über die bloße Vermehrung der Konsumchancen hinaus besteht mit der Erhöhung der Lebenserwartung eine weitere Motivation für Einkommensschwache, durch Leistung einen sozialen Aufstieg in Angriff zu nehmen. Die Anreizmechanismen in unserer Marktgesellschaft sind somit auch auf diesem Gebiet richtig gesetzt.

Darüber hinaus dokumentiert die Studie, daß die durch den Staat flankierte Politik der Unternehmen, auf Lohnverzicht und Arbeitszeitverlängerung zu drängen, sich auch für die Rentenkassen auszahlen wird. Je mehr die Realeinkommen sinken und je härter die Anforderungen des Berufslebens werden, desto kürzer werden die Betroffenen dereinst im Ruhestand als Kostenfaktor negativ in Erscheinung treten.

Und nicht zuletzt dürfen auch die Besserverdienenden aufatmen: Bislang mußten sie davon ausgehen, daß sie als Leistungsträger mehr Streß zu erdulden haben und dadurch größere Risiken für ihre Gesundheit tragen. Dies ist zum Glück wohl doch nicht der Fall.


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