© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/06 17. Februar 2006

Frisch gepresst

Auslandswissenschaft. Professoren sind Beamte, also Diener des Staates, der sie bezahlt und ihnen die Labors und Institute einrichtet. "Wissenschaft" ist also eine mit Steuermitteln finanzierte öffentliche Veranstaltung, die von ökonomischen, sozialen und politischen Interessen des Geldgebers diktiert wird. Von ihrer "Voraussetzungs-losigkeit", "Objektivität" und "Freiheit" dürften vor diesem Hintergrund nicht einmal Sonntags-redner überzeugt sein. Und doch suggerieren gerade jüngere Zeithistoriker, daß Natur- und Geisteswissenschaftler nur in Deutschland und vor allem während der zwölf Jahre des Dritten Reiches politischen Vorgaben gefolgt seien. So auch Gideon Botsch in seiner 2002 eingereichten, nun in der Druckfassung veröffentlichten Berliner Dissertation über die "'Politische Wissenschaft' im Zweiten Weltkrieg. Die 'Deutschen Auslandswissenschaften' im Einsatz 1940-1945" (Schöningh, Paderborn 2006, 362 Seiten, Abbildungen, gebunden, 49,90 Euro). Unter dem Dach einer neugegründeten Fakultät hatten sich 1940 an der Berliner Universität Historiker, Geographen, Juristen, Orientalisten, "kulturkundlich" ausgerichtete Neuphilologen und Soziologen zusammengefunden, um interdisziplinär die politisch-ökonomische und gesellschaftlich-kulturelle Struktur aller Staaten und Länder des Erdballs zu untersuchen. Botsch stellt dabei natürlich heraus, inwieweit sie unter der Führung ihres Dekans, des SS-Brigadeführers Franz Alfred Six, damit primär als "Schreibtischtäter" an der "Verfolgung und Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen" beteiligt waren.

Südtirol. Die jüngste Petition von Bürgermeistern aus Südtirol, die einen "Schutzbezug" für ihre Belange in der österreichischen Verfassung anmahnen, verdeutlicht, daß sich mit dem zaghaften Auto-nomiestatus, den Rom dem "Alto Adige" zusteht, nicht alle Probleme zwischen Brenner und Salurner Klause beantworten lassen. Trotz allem ist die Lage verglichen zu der vom Innsbrucker Historiker Rolf Steininger in der von ihm herausgegebenen Quellenedition beschriebenen Zeit äußerst entspannt. Das Aufbegehren der Südtiroler gegen die seit Mussolinis Zeiten fast unveränderte repressive "Minderheitspolitik" endete in Terror, Verfolgung und Mord. Das blutige Jahrzehnt des Mastensprengens Südtiroler Freiheitskämpfer und der von der italienischen Zentralmacht zu verantwortenden Morde begann 1959. Durch die Forderung nach "Internationalisierung" der Südtirolfrage im "Andreas-Hofer-Jahr" fühlte sich Rom zu einer noch kompro-mißloseren Haltung provoziert, wie Steininger im ersten Jahresband seiner Aktenschau deutlich macht (1959. Aufbruch im Andreas-Hofer-Jahr, aus Akten zur Südtirol-Politik 1959-1969. Studien Verlag, Innsbruck 2005, 688 Seiten, gebunden, 79 Euro).

Donauschwaben. Im Jahr 1961 wurde "Die Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Band V: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien" vom Bundesministerium für Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte unter wissenschaftlicher Leitung von Theodor Schieder herausgegeben. Darin wird der Leidensweg der deutschen Minderheit in den Gebieten um Donau, Save und Theiß, aber auch der Untersteier-mark oder der Gottschee wiedergegeben. Besonders die Deutschen Slawoniens, der Batschka, Syr-miens und des Banat mußten nach 1945 einen besonders hohen Blutzoll entrichten. 1998 sah sich die Donauschwäbische Kulturstiftung veranlaßt, der "Schieder-Dokumentation" eine eigene Dokumentation anzufügen. Dieser wurde nun ein Leitfaden beigegeben, der die achtbändige Reihe mit aktuellen Verweisen auf deutsch, englisch und serbisch entschlüsseln hilft (Hans Sonnleitner u.a., Hrsg.: Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948. München 2005, 287 Seiten, gebunden, 10 Euro).


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