© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/06 24. Februar 2006

Das Ende der Harmonie
Parteien: Zusammenschluß von Linkspartei und WASG gerät ins Stocken / Druck auf Bundestagsabgeordneten Winkelmeier
Ekkehard Schultz

Nur wenige Monate nach der für die Linkspartei durch die Unterstützung der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) erfolgreich bestrittenen Bundestagswahl ist von der einstigen Harmonie zwischen den beiden Partnern nur noch wenig zu spüren. Die geplante Vereinigung von WASG und Linkspartei ist ins Stocken geraten. Insbesondere die angekündigte Teilnahme der WASG an den Berliner Landtagswahlen im September, bei der die Wahlalternative gegen die derzeitige Berliner Regierung und damit auch gegen die Linkspartei antritt, ist dabei ein zentraler Konfliktpunkt. Sollten beide Parteien tatsächlich bei Landtagswahlen gegeneinander antreten, könnte in letzter Konsequenz auch die gemeinsame Fraktion in Frage gestellt werden.

Die WASG wirft der Linkspartei vor, nicht nur den Sparkurs des Berliner Senats bedingungslos mitzutragen, sondern auch selbst zahlreiche Vorschläge zu präsentieren, welche weitere soziale Einschnitte beinhalteten. Die Konflikte in Berlin sind keineswegs nur regionaler Natur, sondern zeigen bereits deutliche Wirkung im gesamten Bundesgebiet. So verteidigte in der vergangenen Woche Rouzbeh Taheri vom Berliner Landesvorstand der WASG öffentlich den eigenständigen Antritt zur Wahl. Ferner sprach sich Taheri gegen den etwaigen Versuch aus, auf dem WASG-Parteitag Ende April die Frage einer Fusion von WASG und PDS mit dem Verbot eines Antritts von WASG-Landesverbänden gegen Landesorganisationen der Linkspartei zu verbinden. Unterstützung erhielt er dafür von den Vorständen beziehungsweise "Landesräten" aus Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein.

Diese Landesräte sprachen sich zudem dafür aus, nur dann eine Abstimmung über die Vereinigung auf dem Parteitag vorzunehmen, wenn zuvor darüber eine intensiven Debatte stattgefunden habe und ein tragfähiger Kompromiß für alle Seiten erreicht worden sei: "Eine Urabstimmung könnte höchstens Ergebnis der inhaltlichen Diskussion auf einem Bundesparteitag sein", heißt es in einer Erklärung vom vergangenen Wochenende.

Die drei Landesverbände Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern, die die Urabstimmung mit satzungsgemäßen 20 Prozent beantragen wollen, wollen jedoch bislang nicht von diesem Plan abweichen. Diese Verbände versuchen vielmehr zu belegen, daß die 2005 stark gewachsene WASG von den längst festgelegten Delegierten auf dem Parteitag nicht mehr repräsentiert wird, und verlangen eine neue Abstimmung durch die Parteibasis. Da sich die Basis nach ihrer Meinung klar für die Fusion aussprechen würde, gerieten danach alle Landesvorstände, die der Linkspartei kritisch gegenüberstehen, unter Druck und ließen sich anschließend besser "disziplinieren".

An anderer Stelle ist die Linkspartei selbst unter Druck geraten. Der über die gemeinsame Liste der Linkspartei mit der WASG in den Bundestag eingezogene Abgeordnete Gert Winkelmeier geriet in die öffentliche Schußlinie, da er die Wohnungen eines ihm gehörenden Hauses in Neuwied an Prostituierte vermietet. Die Koblenzer Staatsanwaltschaft ermittelt zudem gegen Winkelmeier wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Winkelmeier erklärte zwar bereits vor zwei Wochen seinen Austritt aus der Fraktion. Er will jedoch sein Bundestagsmandat behalten. Dadurch verringert sich nicht nur die Fraktionsstärke der Linkspartei im Parlament auf 53 Abgeordnete. Viel größer dürfte der Folgeschaden sein: Linkspartei und WASG fürchten, daß der von einigen Boulevardmedien als "Bordellaffäre" deklarierte Vorgang ein schlechtes Licht auf die Landesorganisation in Winkelmeiers Heimat Rheinland-Pfalz wirft, wo bereits am 26. März Landtagswahlen stattfinden.

Um den größten Schaden abzuwenden, versuchen die einstigen Fraktionskollegen Winkelmeier zur Rückgabe seines Mandats zu bewegen; bislang jedoch ohne Erfolg. Eine Möglichkeit, ihn zu diesem Schritt zu zwingen, hat die Linkspartei ohnehin nicht. Sollten sich die Vorwürfe der Koblenzer Staatsanwaltschaft erhärten und eine Verurteilung Winkelmeiers wahrscheinlich werden lassen, könnte der Immunitäts-Ausschuß über eine Aufhebung von Winkelmeiers Immunität entscheiden.

Für zusätzliche Aufregung in der Linkspartei sorgt zudem der Plan von Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), Ausländer vor einer möglichen Einbürgerung im Freistaat ebenso auf die Mitgliedschaft in der Linkspartei zu überprüfen wie auf Kontakte zu Terrorgruppen wie al-Qaida, da die Partei in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das Ergebnis der Befragung soll in die Entscheidung einfließen, ob ein Ausländer in Deutschland eingebürgert wird. Die stellvertretende Fraktionschefin der Linkspartei im Bundestag, Petra Pau, nannte die Pläne des Freistaates eine "Frechheit".


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