© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/06 03. März 2006

Metaphysik & Dosenbier
Theater: Filmregisseur Andreas Dresen inszeniert Mozart
Andreas Strittmatter

Sie kaufen ihre schicken Klamotten offenbar gern aus zweiter Hand. Sie sind eindeutig urban. Und sie nuckeln, wenn sie traurig sind, an Hochprozentigem. Wer? Geschlechtsreife Großstädter, die zuweilen ein merkwürdiges Verhalten an den Tag legen.

Für einen unter ihnen ist immer Paarungszeit: Don Giovanni, Kumpel und Kiezmacho in einer Person. Filmregisseur Andreas Dresen hat mit dem eben angedeuteten Fernsehtitel zwar nichts gemein, das Personal, das er in seiner Basler Inszenierung von Mozarts "Don Giovanni" auf die Bühne schickt, scheint aber eben jenen Welten entsprungen, in denen das Sein unerträglich leicht scheint, aber das Leben um so härter ist.

Damit die Sache nicht ganz so plakativ nach Don Giovanni plus Großstadtdschungel aussieht, baute Mathias Fischer-Dieskau eine abstrakte Bühne mit versenkbaren Würfelelementen, die - wohl eher unabsichtlich - an das Holocaust-Mahnmal erinnerten. Für die Kostüme in diesem Labyrinth der Städte zeichnete Sabine Greunig verantwortlich.

Filmregisseure, die in der Oper debütieren, sind keine Seltenheit mehr, sorgen aber gleichwohl für Aufmerksamkeit. Die kann das künstlerisch immer einmal wieder umstrittene Theater Basel brauchen, alldieweil die Kantonsverwaltung wieder den Rotstift spitzt: Trefflich also, daß Dresen ("Sommer vorm Balkon"; JF 2/06) das Renommee des Hauses mehrt, seinen "Don Giovanni" aber so in Szene setzt, daß selbst jener Teil des Publikums herzhaft klatscht, der sonst reichlich renitent reagiert.

Denn Dresen beläßt es bei Aktualisierungen, kümmert sich hierbei aber mehr um die überzeitliche Aussage von Mozarts "Dramma giocoso" und pfropft der Geschichte keinen artfremden Diskurs auf. Zudem werden die Binnenaktionen der Protagonisten szenisch glaubhaft begründet, wofür die Regie allerdings Rezitative zugunsten einer musikfremden Dialogstruktur aufweicht. Allein die Kopulationsszenarien, derer sich auch Dresen offenbar nicht enthalten kann, sind ärgerlich - zumal, wenn abgeschmackte Bühnengeilheit etwa das Ende des Bezirzungsduetts zwischen Don Giovanni und Zerlina beschließen muß, das Dresen zuvor wundervoll exponiert hat.

Für ein Problem, das sich immer aufwirft, sobald Mozarts "Don Giovanni" in die Gegenwart katapultiert wird, hat auch Dresen keine überzeugende Lösung parat: Des Protagonisten Höllenfahrt wirkt unmotiviert - entsprechend knirscht die Dramaturgie kräftig unter der Last einer plötzlich über eine Welt mit Dosenbier und China-Imbiß hereinbrechende Metaphysik.

Dies kann auch nicht der schlanke Klang überspielen, zu dem Marco Letonja mit zügigem Schlag das Basler Sinfonieorchester anhält. Vokal hat das Basler Haus schon Spannenderes aufgeboten. Allein der Tenor Daniel Behle sorgte mit seinem Porträt des Don Ottavio für eine kleine Sternstunde und eine Lektion, wie man mit Stilsicherheit und wunderbar flutendem Timbre die verhaltene Stimmung dieser Arie betörend evozieren kann.

Seine bemerkenswert besseren Momente verdankte die Premiere am Donnerstag voriger Woche ferner der stimmlich zauberhaft agierenden Zerlina von Mojca Erdmann und dem mächtigen Organ von Xiaoliang Li (Komtur). Ohne Abstriche ordentlich schlugen sich Thomas J. Mayer in der Titelrolle, Andrew Murphy als Leporello und Johannes Schwärsky als Masetto. Hörbar an Grenzen stießen hingegen Maya Boog als Donna Anna und Eteri Gvazava als Donna Elvira - beide scheiterten an den hochdramatischen Ansprüchen dieser Rollen.

Die nächsten Vorstellungen des "Don Giovanni" im Theater Basel, Elisabethenstraße 16, finden statt am 13., 18. und 21. und 23. März jeweils um 19.30 Uhr. Karten: 00 41 / 0 / 6 12 95 11 33


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