© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

CD: Jazz
Weitgespanntes
Michael Wiesberg

Das Ull Möck Trio gehört zu denjenigen Jazz-Formationen in Deutschland, die immer wieder durch eingängige und hörenswerte Aufnahmen hervortreten, ohne dabei ins allzu Seichte abzugleiten. Quasi vom ersten Takt entfaltet dieses Trio einen Reiz, dem sich der Hörer schwer entziehen kann. Dies gilt auch wieder für diejenigen Kompositionen, die auf seiner neuesten Einspielung "Handling" (Satin Doll Music, SDP 1044-1) zu hören sind.

Es ist das dritte Werk nach "How high the moon" und "Drilling", das Möck für das Label Satin Doll eingespielt hat. Einmal mehr glänzt er am Piano mit Pausen und Gegenläufigkeiten sowie mit Akkordgriffen innerhalb packender Läufe. So gelingt es ihm und seinen Mitstreitern, daß die ganze Aufnahme sehr gefällig daherkommt. Das hohe musikalische Können dieses Trios wird zum Beispiel in den Soli des Stücks "Prison Changes" hörbar, das der Bassistin Karoline Höfler und Hans Fickelscher am Schlagzeug hinreichend Raum bietet, ihre Qualitäten zu entfalten.

Höfler glänzt auch in dem Stück "7/8ele", das aufgrund seiner Intensität und Eingängigkeit herausragt. Ull Möcks Spiel oszilliert spannungsgeladen zwischen Schnelligkeit und Kontemplation. Keine Frage: Dieses Trio präsentiert sich hier als geschlossene Einheit, deren Interaktionen von einer Sicherheit getragen werden, wie sie nur bei großer Vertrautheit entstehen kann. So durchzieht ein Spannungsbogen diese schöne Aufnahme von Anfang bis Ende.

Die Organistin Barbara Dennerlein, inzwischen eine nicht mehr wegdenkbare Institution des Jazz, hat in ihrer Einspielung "Spiritual Movement No. 1" (Bebab Records) neue Wege beschritten. Diesmal ist sie nämlich nicht wie sonst an der Hammond-Orgel zu hören, sondern an der Goll-Orgel in der Martinskirche in Memmingen. Was auf den ersten Blick nur wie ein kleiner Sprung erscheinen mag (Bässe über die Fußpedale und vier statt zwei Manuale), stellt dennoch eine große Herausforderung dar, kann doch die Technik einer mächtigen Kirchenorgel kaum mit der einer Hammond-Orgel verglichen werden. Allein schon der Weg des Schalls der Kirchenorgel durch das Kirchenschiff bis hin zum Hörer (oder hier zum Aufnahmegerät) ist deutlich länger. Daß Dennerlein dieser so ganz anderen Akustik voll gerecht wird, spricht für das hohe musikalische Können der Jazz-Musikerin.

Allemal atemberaubend ist ihr musikalisches Spektrum, das von Blues bis hin zu einem "Pychedelic Cluster" reicht. In der Auswahl ihrer weitgespannten Stücke hat Dennerlein viel Fingerspitzengefühl bewiesen; viele wirken, als wären sie eigens für den Klangreichtum der Kirchenorgel entstanden. Dennerlein hat hier ein exzellentes Album vorgelegt, das unbedingt hörenswert ist.

Auch der 1938 in Breslau geborene Musikprofessor Ekkehard Jost muß nicht mehr eigens vorgestellt werden. Der tieftönige Saxophonist und Klarinettist hat gerade in seinem Doppelalbum "Some other Tapes" (Fish Music FM 009/010 CD; Vertrieb: JazzHausMusik Köln) zum großen Teil unveröffentlichte Aufnahmen von 1987 bis 1997 vorgelegt. Jost spielt hier mit festen Formationen (Amman Boutz, Chromatic Alarm) und spontan zusammengestellten Ensembles sowohl neutönerisch, zum Beispiel mit dem slowenisch-französischen Posaunisten Vinko Globakar, als auch - in Stücken wie "Nun ruhen alle Wälder", "Lover Man" oder "Bella Ciao" - traditionsgebunden.

Jost hat zwei CDs vorgelegt, deren Spannung und handwerkliche Solidität den Hörer in keiner Phase loslassen. Der Jazz-Professor dokumentiert erneut, daß er nicht nur in der Theorie alle Register zu ziehen in der Lage ist, sondern auch in der Praxis.


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