© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

Beharren auf Bewährtem
Zur Rechtschreibreform
Karin Pfeiffer-Stolz

Halbwahrheiten und Fiktion bestimmen seit Beginn die Diskussion um die sogenannte Rechtschreibreform. Ob sie auch zur Legende wird, die das Denken von Generationen beherrscht, hängt jetzt nicht zuletzt davon ab, wie sich Medienschaffende in Verlags- und Zeitungshäusern verhalten werden.

Wir erleben es seit zehn Jahren: Einerseits wird die Reformschreibung "freiwillig" angewandt, andererseits beklagt man lauthals ihre Nachteile. Nicht wenige delegieren ihren Gehorsam an Maschinen. In Fragen der Reformschreibung sind wir ja inzwischen ein Volk von passiven Verweigerern: Wir tippen "daß" ein und überlassen es den automatischen Korrekturprogrammen, daraus ein "dass" zu erzeugen. Wir schreiben nicht mehr selbst, es "schreibt" uns. Und die Zukunft? Wird es uns einmal sogar "lesen"? Was geschieht mit der Sprache, wenn sich die Form auf staatliches Betreiben vom Bewußtsein abspaltet?

Was heute erkennbar ist: Fehlerquoten und Nachlässigkeit verstärken einander im Regelkreis. Texte verlieren ihre Autorität. Nach der Reformschreibung zwangsläufig fehlerhafte Schriftstücke, welchen Inhalts auch immer, wirken auf den Leser tendenziell unseriös.

Allein die selbstbewußte Pflege der bewährten Orthographie durch beispielgebende Medien kann den Weg zurück zur Einheitlichkeit anbahnen. Weitere substantielle und wirtschaftliche Verluste werden sich in Grenzen halten, wenn wir uns voller Vertrauen darauf rückbesinnen, daß Sprache ihr eigener Herr ist - und es auch bleiben wird. Ein selbstbewußtes Beharren auf Bewährtem ist keine Entscheidung gegen die Vernunft, sondern eine für Liberalität - und somit für die Stärkung des demokratischen Prinzips in einer freien Gesellschaft. Alles andere beschädigt nicht nur die Sprache, sondern auch die staatliche Grundordnung.

 

Karin Pfeiffer-Stolz, 1948 in Salzburg geboren, ehemalige Deutschlehrerin, ist Autorin und Verlegerin. Im vergangenen Jahr veröffentlichte sie zusammen mit Claudia Ludwig den Band "Der große 'Blöff'. Neue deutsche Rechtschreibung: einfach unbelehrbar" (Stolz Verlag, Düren 2005).

Foto: Karin Pfeiffer-Stolz


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