© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

Molltöne in den Einheitsmelodien
Der Berliner CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns erinnert in seinem politischen Rückblick an die Gegnerschaft Friedbert Pflügers zur deutschen Wiedervereinigung
Thorsten Thaler

Uwe Lehmann-Brauns zählt zu den Paradiesvögeln der Berliner CDU. Auf dem linksliberalen Flügel seiner Partei beheimatet, seit 1979 mit einer zweijährigen Unterbrechung Mitglied des Abgeordnetenhauses, beackert er seit Jahrzehnten das Feld der Kulturpolitik. Dabei blieb ihm der Aufstieg in die erste Liga seiner Partei stets verwehrt, obschon er mehrfach als Kultursenator im Gespräch war.

Außerhalb der Partei reüssierte der 1938 in Potsdam geborene Lehmann-Brauns früh als Rechtsanwalt. Ende der sechziger Jahre erhielt er von dem Sohn des Bildhauers Ernst Barlach (1870-1938) den Auftrag, dessen Rechte an dem Nachlaß gegenüber der DDR wahrzunehmen, auf deren Gebiet sich der größte Teil der Barlach-Werke befand. Später stand er DDR-Bürgerrechtlern wie Bärbel Bohley und Jürgen Fuchs in juristischen Auseinandersetzungen mit Gregor Gysi bei.

Von seinem Leben in der Politik und als Anwalt erzählt Lehmann-Brauns nun in seinem kürzlich erschienenen Buch "Die verschmähte Nation". Die darin geschilderten Begegnungen und Erlebnisse wären an sich nicht weiter der Rede wert. Kostprobe (zu Richard von Weizsäcker): "Ich bin nach jeder Begegnung mit ihm bezaubert, mehr als geblendet. Auch mit 85 Jahren handhabt er virtuos die Kunst der Rede, des Dialogs, der menschlichen Gesten." Bitte schön, wem's gefällt.

Was die Aufzeichnungen Lehmann-Brauns dann doch aus aktuellem Anlaß pikant macht, ist eine kurze Passage über den frisch gekürten Spitzenkandidaten der Berliner CDU zur Abgeordnetenhauswahl im September, Friedbert Pflüger. So berichtet Lehmann-Brauns von einer Podiumsdiskussion zur deutschen Wiedervereinigung vor Studenten der kalifornischen Elite-Universität Stanford im Oktober 1989, an der auch Pflüger und seine Immer-noch-Ehefrau Margarita Mathiopoulus teilnahmen.

Während Lehmann-Brauns eigenen Angaben zufolge seine "Einheitsmelodie" abspielte, erklärte die Politikwissenschaftlerin Mathiopoulus empört, sollte tatsächlich die Wiedervereinigung kommen, würde sie am nächsten Tag ihren deutschen Paß abgeben und die amerikanische Staatsangehörigkeit annehmen. Lehmann-Brauns weiter: "Friedbert Pflüger war vorsichtiger. So weit wolle er nicht gehen, betonte er, aber auch er sei gegen die Wiedervereinigung - er fürchtete um die demokratischen Errungenschaften der Bundesrepublik."

Heute will Pflüger davon natürlich nichts mehr wissen. Er könne sich nicht erklären, wie die Zitate entstanden seien, beteuert er, und auch Lehmann-Brauns rudert in Journalistengesprächen überraschend zurück. Ein allzu durchsichtiges Manöver: Schließlich will der eine Regierender Bürgermeister von Berlin werden, der andere hofft noch immer auf den Posten des Kultursenators.

Uwe Lehmann-Brauns: Die verschmähte Nation. Berliner Begegnungen. Mit einem Vorwort von Wolf Biermann. Hohenheim Verlag, Stuttgart 2005, 238 Seiten, gebunden, 18 Euro


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