© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

Die Schweinebucht in den Karpaten
Der Siebenbürger Karl-Heinz Brenndörfer erinnert an den kaum bekannten national-rumänischen Untergrundkampf gegen die Kommunisten in den fünfziger Jahren
Ekkehard Schultz

Der bewaffnete antikommunistische Widerstand in Rumänien zwischen 1948 und 1962 ist ein in Deutschland immer noch kaum bekanntes Thema. Taucht es jedoch einmal in den Medien auf, so ist ein lebhafter Streit vorprogrammiert: Vor genau zwei Jahren beschäftigte sich die Zeitschrift Horch und Guck (45-03) vom "Bürgerkomitee 15. Januar" mit diesem Komplex, was sofort Vorbehalte laut werden ließ, eine solche Darstellung verherrliche "politische Extremisten". Den Widerstandskämpfern wird heute noch "nationalistische Ausrichtung" vorgehalten. Sie seien zudem antislawisch und antisemitisch und nach 1989 die Wegbereiter des Rechtsextremismus in Rumänien gewesen.

Um so wertvoller ist der Beitrag zur Versachlichung des aus Siebenbürgen stammenden Deutschen Karl-Heinz Brenndörfer "Banditen, Spione oder Helden? - Bewaffneter antikommunistischer Widerstand in Rumänien 1948-1962". Er beschreibt zunächst die große Heterogenität der Widerstandsformen: Dieser stellte keine einheitliche Organisation dar, sondern bestand aus Gruppen, die sich aus Menschen unterschiedlicher Herkunft und politischer und ideologischer Ausrichtung zusammensetzten. Gemeinsam war ihnen nur das Ziel, die Alleinherrschaft der Kommunisten in Rumänien zu brechen. Später wurde daraus ein reiner Verteidigungskampf gegen den Zugriff des kommunistischen Geheimdienstes Securitate.

Einen Teil der Widerstandskämpfer stellten vom französischen und US-Geheimdienst ausgebildete und finanzierte Legionäre. Sie wurden direkt unter den bis 1948 ins westliche Exil geflohenen Rumänen geworben. Die Ausbildung der Legionäre für geplante Sondereinsätze übernahm der französische Informationsdienst in Ausbildungslagern im eigenen Land, in Österreich sowie in Griechenland.

Zu tatsächlichen Einsätzen dieser Legionäre kam es jedoch nur in wenigen Fällen in den Jahren 1951 bis 1953. Die Betreffenden wurden durch die US-Amerikaner per Flugzeug von Frankreich nach Griechenland gebracht und schließlich von dort per Fallschirm insbesondere im Westen und Süden Rumäniens abgesetzt. Doch viele dieser Einsätze scheiterten, da nur selten der Kontakt zu untergetauchten antikommunistischen Kämpfern zustande kam. Die auf sich allein gestellten Ankömmlinge wurden schnell von Zuträgern der Securitate entdeckt und an diese ausgeliefert.

Im Regelfall die Todesstrafe für die Exilrumänen

Im Oktober 1953 fand in Bukarest ein großer Schauprozeß gegen gefangene Exilrumänen statt. Ihnen drohten schwere Strafen, galt doch schon allein der Besitz eines Funkgerätes, einer Waffe oder die Verbreitung von Flugblättern als Verbrechen. Der Grenzübergang ohne gültige Papiere konnte zudem als "Vaterlandsverrat" geahndet werden, auf den im Regelfall die Todesstrafe stand. Tatsächlich wurden in diesem Prozeß von 16 Angeklagten 13 zum Tode wegen Spionage, illegaler Weitergabe von Informationen sowie Vaterlandsverrat verurteilt und die Urteile umgehend im Gefängnis Jilava (südlich von Bukarest) vollstreckt. Eine Angeklagte wurde zu 25 Jahren Zwangsarbeit, ein Angeklagter zu zwanzig Jahren schweren Kerkers und ein weiterer Angeklagter zu drei Jahren schweren Kerkers verurteilt. In anderen Fällen reichte jedoch bereits die Unterlassung einer Anzeige für eine Verhaftung und Verurteilung aus. Seit diesem Prozeß verzichteten Amerikaner und Franzosen auf weitere Aktivitäten mit Legionären, deren Verbände aufgelöst wurden.

Die weit bedeutendere bewaffnete antikommunistische Widerstandsgruppe bildeten jedoch die Partisanen im Inland. Ihnen gelang es zum Teil bis in die frühen sechziger Jahre, sich in den steilen, schwer zugänglichen Gegenden des Fogarasch-Gebirges sowie anderer Teile der Südkarpaten zu verschanzen und sich dort gegen den Zugriff des kommunistischen Geheimdienstes zu verteidigen.

Einer der bekanntesten Widerstandskämpfer im Nordhang des Fogarasch-Gebirges war Ion Gavrila. Welchen Eifer die Securitate daransetzte, Gavrila zu verhaften und anschließend verurteilen zu können, zeigt der Aufwand, den der Geheimdienst betrieb: In einer einzigen Dienststelle der Securitate über die Partisanengruppe Ion Gavrila wurden nach der teilweisen Öffnung der Archive im Jahr 2002 124 Aktenordner mit insgesamt 49.890 Blättern gefunden. Erst 1975 wurde er verhaftet, nachdem er den Versuch abbrechen mußte, nach Jugoslawien zu flüchten. Das Todesurteil von 1951 war zu diesem Zeitpunkt allerdings - da über zwanzig Jahre alt - nicht mehr rechtskräftig und zudem ein großer Teil der ihm zur Last gelegten Taten verjährt. So wurde Gavrila 1978 wieder auf freien Fuß gesetzt, mußte allerdings bis 1989 eine ständige Überwachung durch den Geheimdienst über sich ergehen lassen.

Andere Gruppen hatten weniger Glück. Ende der fünfziger Jahre gerieten viele Mitglieder in Hinterhalte der Securitate. Die Verhafteten konnten mit keinerlei Gnade rechnen, viele wurden auf der Stelle erschossen, andere sogar lebendig verbrannt, weitere in schnellen Prozessen zum Tode verurteilt. Auch schwere Kollektivstrafen für Verwandte und Familienangehörige sollten die verbleibenden Kämpfer entmutigen.

Widerstand wird heute als nationalistisch abqualifiziert

Die Mitglieder der antikommunistischen Widerstandsgruppen kamen aus sehr unterschiedlichen sozialen Gruppen. Sie reichten von Schülern und Studenten und Bauern, die sich der 1949 begonnenen Zwangskollektivierung widersetzten, Geistlichen, sowie Lehrern, Ärzten bis zu Arbeitern. Viele waren vor 1945 Mitglieder der Eisernen Garde oder deren Jugendorganisation, der Kreuzbruderschaft, gewesen.

Der Hauptwaffe der Securitate im Kampf gegen die Partisanen war ihr immer dichteres Netz von Informanten, die jede verdächtige Person und jedes Zusammentreffen zu melden hatten. In den vergangenen Jahren hat es in Rumänien deswegen eine lebhafte Debatte um die Veröffentlichung der Namen von angeworbenen Securitate-Informanten gegeben. Einige prominente ehemalige Widerstandskämpfer - so auch Gavrila - sprechen sich gegen eine Veröffentlichung aus, da die Betreffenden keine Chance gehabt hatten, einer Anwerbung tatsächlich zu entgehen, wollten sie nicht selbst langjährige Haftstrafen, die Enteignung oder gar die Todesstrafe riskieren.

Spätestens mit der Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn von 1956 war den Partisanen bewußt, daß mit einer aktiven Unterstützung des antikommunistischen Kampfes durch die westlichen Staaten nicht zu rechnen war. So konnte es lediglich noch darum gehen, die eigene Person oder die Familie dem Zugriff der Securitate so lange wie möglich zu entziehen.

Seit den neunziger Jahren wurden viele ehemalige antikommunistische Kämpfer in Rumänien juristisch rehabilitiert. 1995 erfolgte die Einweihung eines Denkmales für den antikommunistischen Widerstand in Sambata. Ein Jahr später wurde der Verband der Kämpfer des bewaffneten antikommunistischen Widerstandes gegründet, der eng mit dem Verband der ehemaligen politischen Häftlinge in Rumänien zusammenarbeitet.

Karl-Heinz Brenndörfer: Banditen, Spione oder Helden? - Bewaffneter antikommunistischer Widerstand in Rumänien 1948-1962.Eigenverlag, Stuttgart 2005, 293 Seiten, Abbildungen. Auslieferung über Karl-Heinz Brenndörfer, Werner-Haas-Weg 5, 70469 Stuttgart


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