© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Meldungen

Ein modernisierter Friedrich Meinecke

WIESBADEN. "Die öffentliche Opposition gegen das Kopftuch oder das Schächten läßt vermuten, daß die deutsche Nation davon profitieren könnte, sich mit Friedrich Meinecke (1862-1954) auch als Staatsnation und nicht nur als Kulturnation zu verstehen." Was Guido Koch mit dieser rätselhaften Empfehlung meint, versucht er in einer Studie über "Nation und Nationalismus" im Riesenwerk des Berliner Historikers zu explizieren (Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2/05). Daß er, wie Koch darlegt, ein Kritiker des "Machtstaates", Anwalt der "Kulturnation" und kosmopolitisch Verteidiger des politischen Primats individueller "Persönlichkeit" war, ist indes bekannt. Neu ist nur Kochs zeitgeistkonforme Adaption dieser geschichtstheoretischen Positionen. Fordere doch Meineckes um individuelle Freiheit besorgtes Nationsverständnis "Toleranz" gegenüber auch jeder individuellen "Kultur". Die "Neubestimmung der In- und Exklusion durch die Staatsbürgerschaft", durch "Rot-Grün", liege also in der Konsequenz von Meineckes Ideen.

 

Kartengrüße aus einer Totenstadt

PINNEBERG. Am 1. April vor 60 Jahren nahm das besetzte Deutschland den Postverkehr mit dem Ausland wieder auf. Hans-Georg Klemm erforschte dazu in seinem Beitrag "Erste Post aus Ostpreußen nach Kriegsende" (Samländischer Heimatbrief, 169/2005) eine ganz besondere Episode. Denn per Feldpost gelangten aus der Festung Königsberg noch bis April 1945 Karten von Zivilisten "ins Reich". Die dann unterbrochene Verbindung wurde im April 1946 aufgenommen. Post aus dem Westen gelangte über Moskau ins okkupierte Ostpreußen. In Königsberg war deswegen dem russischen ein deutsches Postamt angegliedert worden. Ihre Post mußten sich die Empfänger aber aus dem Chaos der "Totenstadt" abholen, oft nach stundenlangem Anmarsch aus Fluchtquartieren im Samland. Daß die verbliebenen Deutschen ihrerseits erste Mitteilungen gen Westen sandten, dokumentiert Klemm mit faksimiliertenKarten, unter ihnen eine aus Cranz ("Hier ist es furchtbar"), die mit dem deutschen Stempel "Königsberg 10. Januar 1947" in Berlin eintraf.

 

Erste Sätze

Wer über die Zeit spricht, ist auf Metaphern angewiesen.

Reinhard Koselleck: Zeitgeschichten. Studien zur Historik, Frankfurt am Main 2000


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