© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Parteigänger der Freiheit
Nachruf auf G. Radnitzky

Das verdammte 20. Jahrhundert" heißen die mit Spannung erwarteten Memoiren des Philosophen und Wortschaftstheoretikers Gerard Radnitzky, die in diesen Tagen herauskommen. Er selbst wird sein letztes Werk nach einem ereignisreichen und erfüllten Leben nicht mehr in Händen halten können; er starb vergangenen Samtsag.

Gerard Radnitzky war eine Ausnahmeerscheinung im heutigen, geistig überregulierten Zeitalter: ein Relikt altösterreichischen Freisinns, ein Staatsfeind und Herr. Geboren 1921 in Südmähren unter tschechoslowakischer Herrschaft, erlebte Radnitzky die Repressionen gegen die deutschsprachige Minderheit, sodann die "Heimkehr" ins NS-Reich. 1940 eingezogen zur Luftwaffe, setzte sich der Kampfpilot im letzten Kriegsmonat nach Schweden ab. Dort studierte er Philosophie, promovierte und lehrte an verschiedenen Universitäten.

1973 hatte er genug vom schwedischen Sozialismus. Zunächst übernahm er einen Lehrstuhl für Wissenschaftstheorie in Bochum. Drei Jahre später wechselte er an die Universität Trier, wo er - unterbrochen von Gastprofessuren in Amerika, Europa und Japan - bis zu seiner Emeritierung lehrte und eine kleine, doch feine Schar von Schülern um sich sammelte. Freundschaften und reger intellektueller Austausch verbanden ihn mit bedeutenden Liberalen von F. A. von Hayek bis Karl Popper.

Gerard Radnitzky besaß Stil, Bildung und Mut. In der intellektuellen Szene der Bundesrepublik mußte er damit ein Außenseiter bleiben. Neben zahlreichen akademischen Studien zur Philosophie und zur Theorie der Wissenschaften schrieb er populäre Aufsätze für die Neue Zürcher Zeitung, die Frankfurter Allgemeine und die JUNGE FREIHEIT. Selbstverständlich war für ihn auch, noch vor vier Wochen einen "Appell für die Pressefreiheit" zu unterschreiben, mit dem die JF öffentlich gegen ihre - später wieder zurückgenommene - Aussperrung von der Leipziger Buchmesse protestierte.

Als Wissenschaftler und Publizist verteidigte Radnitzky zeitlebens kompromißlos die Freiheit des Individuums. Geistige, politische und wirtschaftliche Freiheit erschienen ihm als untrennbare Einheit. Sein geschworener Feind war der Kollektivismus. Wieder und wieder warnte er vor dem Sozialismus aller Schattierungen (ob bräunlicher oder roter Couleur), der durch Aushöhlung des Eigentumsrechts den Menschen ihre Freiheit und Würde raubt.

Zunehmend totalitäre Tendenzen erkannte Radnitzky auch in der bundesdeutschen Gesellschaft und in EU-Europa. Voller Sorge betrachtete er die schleichende Entwicklung hin zu einer "DDR light". Dem wollte er sich nicht beugen: Mit spitzer Feder stritt er gegen das Orwellsche Neusprech der political correctness und den Irrsinn von teils strafbewehrten Tabus in der zeitgeschichtlichen Forschung, entlarvte somit das Gerede vom "herrschaftsfreien Diskurs" als Lüge. Mit Radnitzky hat die Partei der Freiheit einen ihrer Besten verloren.


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