© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Frisch gepresst

Deutsche Einheit. "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört", prognostizierte Willy Brandt über das wiedervereinigte Deutschland 1990. Die Aufsatzsammlung des Berliner Verlegers Christoph Links und des Journalisten Hannes Bahrmann "Am Ziel vorbei" behauptet nach 16 Jahren Einheit, diese Vorhersage habe sich als Trug erwiesen. Viel zu wenige wagten die Einheit Deutschlands offen als "das deutsche Desaster" zu bezeichnen, schreibt beispielsweise Thomas Betz. Allerdings spricht seine These, die Vereinigung sei auch wegen des "Prinzips der Rückgabe vor Entschädigung" schiefgegangen, nicht unbedingt für seine Urteilsfähigkeit. Dieses Prinzip in Fragen der DDR-Enteignungen konnte einfach keine volkswirtschaftlichen Auswirkungen zeitigen. Im Gegenteil: Eine zusätzliche Rückgabe der zwischen 1945 und 1949 konfiszierten Güter - wesentliche Teile der mitteldeutschen Wirtschaft wurden in dieser Zeit enteignet - hätte manchen Impuls stiften können. Wenigstens in diesem Punkt ist die kritische Bilanz der deutschen Einheit alles andere an treffsicher (Am Ziel vorbei. Die deutsche Einheit - Eine Zwischenbilanz. Christoph Links Verlag, Berlin 2006, 358 Seiten, broschiert, 17,90 Euro).

Bildungspolitik. Man kann es tatsächlich schon als besonderen Verdienst bezeichnen, wenn sich jemand an einer Bestandsaufnahme des deutschen Bildungssystems versucht, ohne irgendwelche Schul- oder Bundesland-"Rankings" oder gar die fast zum Dogma gewordenen Pisa-Ergebnisse zur Grundlage seiner Argumentation zu machen. Für den Kölner Philosophen Peter Brenner ist das Problem die Ziellosigkeit, mit der seit dreißig Jahren am System herumreformiert wurde. Dazu kommen die immer stärker um sich greifenden Veränderungen im föderalen System. Ein Bundesland führt die "Ganztagsschule" ein, meist ohne das Konzept jemals auch nur getestet zu haben, ein anderes geht den Weg zurück in die Dreigliedrigkeit und schafft die Orientierungsstufe ab. Dazu fehlen klare Konzepte, wie Schüler lernen oder was Schüler lernen sollen. Brenner versucht, in diesem Tohuwabohu eine Struktur zu schaffen, indem er überhaupt einmal die Problemfelder ordnet, was bereits lobenswert ist. Daß er in seiner "Lösungsskizze" (Wie wird es besser) eingesteht, kein Patentrezept zu besitzen, hebt ihn darüber hinaus wohltuend von anderen "Bildungsexperten" ab (Schule in Deutschland. Ein Zwischenzeugnis. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2006, 219 Seiten, broschiert, 22 Euro).

Hottentottenkrieg. Vor zwei Jahren ist durch den hundertsten Jahrestag der Krieg gegen das Volk der Hereros in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika in den Fokus gerückt. Im Windschatten dieses Kolonialkrieges fand jedoch auch der vielleicht weniger unerbittliche, dafür aber bis ins Jahr 1907 andauernde bewaffnete Kampf gegen die Hottentotten oder Nama im kargen Süden des Landes statt. In gewohnt sachlicher Manier führt der jetzt vorgelegte zehnte Band der Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte in dieses Thema ein (Windhuk, Gelnhausen, 2006). Die Edition bisher kaum verbreiteter Quellen rundet diesen wissenschaftlichen Einblick ab (Anlässe, Ausklang und Opfer des Hottentottenkrieges. AW Steffan, Postfach 230104, 63551 Gelnhausen, 87 Seiten, broschiert, 17 Euro).


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