© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/06 24. März 2006

Wirtschaft
Der Griff nach dem Rheingold
Wilhelm Hankel

Den Armutsländern dieser Erde ginge es besser, wenn sie ihre Milliarden toten Basarkapitals in produktives Investitionskapital verwandeln könnten. Das war hierzulande genauso, als man noch nicht in Sparbüchern oder Aktien sparte. Doch die deutsche Volkswirtschaft leistet sich dasselbe mit den Währungsreserven der Bundesbank. Die frühere Gralshüterin der D-Mark ist heute weder für die Währung verantwortlich, noch ist sie eine Bank - beide Funktionen sind mit dem Euro auf die Europäische Zentralbank (EZB) übergegangen. Dennoch besteht die Bundesbank, eine Außenstelle der EZB, auf ihren Goldreserven - dem Teil, den sie nicht an die EZB abliefern mußte. Der Begünstigte dessen ist leichter auszumachen als der Zweck. Das 50-Milliarden-Euro-Goldvermögen gehört dem deutschen Volk, genauer der deutschen Volkswirtschaft. Diese hatte bis 1973 einen Anspruch auf eine Währung mit stabilem Wechselkurs zum US-Dollar und dessen freilich schon damals angekratzter Golddeckung.

Es machte also Sinn, den Außenwert der Mark mit einer eigenen Goldreserve zu verteidigen. Außerdem sicherte sie die Bank vor Verlusten aus einer Dollar-Abwertung zum Golde. Nichts von alledem ist heute möglich und nötig. Es gibt weder die D-Mark noch einen zu verteidigenden Wechselkurs - gegenüber dem US-Dollar schwankt er wie ein Aktienkurs. Alle Währungen definieren heute ihre Stabilität in nationaler Kaufkraft. Der Bundesfinanzminister hat recht, wenn er nach diesem funktionslosen Goldschatz greift. Was könnte in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, leerer Sozialkassen und einer überdehnten Staatsverschuldung volkswirtschaftlich vernünftiger sein als die Wiederbelebung dieses toten Rheingoldes für gemeinnützige Zwecke?


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