© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/06 24. März 2006

"Kupfer und Poesie parodieren sich wechselweise"
Anhaltende Faszination: Eine Ausstellung in Leipzig zeigt, wie sehr Goethes Faust und Mephisto die bildende Kunst bis heute beschäftigen
Ekkehard Schultz

Die Auseinandersetzung mit Johann Wolfgang Goethes Hauptwerk, dem "Faust", hat in der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts nicht nur Spuren hinterlassen, sondern üppige Früchte getragen. Dabei kann die Vielfalt der Variationen, mit denen Künstler den Faust-Stoff zu bearbeiten suchten, innerhalb der jüngsten Kabinettausstellung "Faust und Mephisto - Goethes Dichtung in der bildenden Kunst" des Leipziger Museums der Bildenden Künste bestenfalls angedeutet werden.

Goethe selbst hatte sich noch vor der Fertigstellung des ersten Teiles seines Meisterwerkes zunächst äußerst skeptisch geäußert, ob eine Illustration dieses Stoffes überhaupt möglich sei: "Den Faust, dächt ist, geben wir ohne Holzschnitte und Bildwerke. Es ist schwer, daß etwas geleistet werde, was dem Sinne und dem Tone nach zu einem Gedicht paßt. Kupfer und Poesie parodieren sich gewöhnlich wechselweise." Doch ein Besuch von Peter Cornelius in Weimar, der ihm Skizzen im "altdeutschen" Stil vorlegte, überzeugte Goethe schnell vom Gegenteil. Bewußt auf einen Dürer-Stil setzend, um damit die mittelalterliche Stimmung, wie sie zum Beispiel in der Szene in "Auerbachs Keller" zum Ausdruck kommt, besonders gut zu treffen, illustrierte Cornelius Goethes Werk mit zwölf Blättern, darunter "Osterspaziergang" (1814), das erwähnte "In Auerbachs Keller" (1814) sowie "Mephisto und Gretchen in der Kirche" (1815).

Das früheste Werk in der Leipziger Ausstellung ist jedoch Rembrandts Radierung "Faust in der Studierstube" von 1652/53. Allerdings ist umstritten, ob der holländische Künstler, dem in diesem Jahr in seiner Heimat zahlreiche Präsentationen gewidmet sind, tatsächlich bereits "Faust" darstellte - was mit Rückgriff auf den Urfaust durchaus möglich gewesen wäre - oder doch nur einen unbekannten "Gelehrten". Die ursprüngliche Bezeichnung für das Werk lautet "Der Alchimist". Doch schon im 18. Jahrhundert bürgerte sich der Titel "Faust in der Studierstube" ein, der sich immer wieder auch in den Bestandslisten der Museen findet. Da Darstellung und Intention des Werkes eine Auseinandersetzung mit dem "Urfaust" zumindest nicht ausschließen, ist dessen Aufnahme in die Ausstellung allemal gerechtfertigt.

Die erste Darstellung jenseits der Illustrationen von Cornelius, die unmittelbar durch die Rezeption auf Goethes Werk getragen wird, ist Gustav Heinrich Naekes 1811 entstandenes Gemälde "Faust und Gretchen". Innerhalb kürzester Zeit kam es zu einer vielfachen Beschäftigung mit dem Stoff. Zu den bekanntesten Werken jener Jahre zählt Moritz Retschs "Gretchen".

Während die Künstler im 19. Jahrhundert ihr Hauptaugenmerk noch auf die realistischen Bestandteile des Faust-Dramas legten, kam es im 20. Jahrhundert zu einer deutlichen Verlagerung in der Motivwahl: Zum einen werden nun erstmals auch die erotischen Motive des Werkes bearbeitet, so der Ausgangspunkt einer großen Tragödie, der Geschlechtsverkehr zwischen Faust und Gretchen. Dieser steht unter anderem im Mittelpunkt von Hans Henning Wildermanns "Sündenfall" (1926). Einen Höhepunkt der Beschäftigung mit den sexuellen Komponenten markieren Ernst Albert-Cörlins Gouachen "Versammlung auf dem Blocksberg" sowie "Hexenschau und orgiastische Szene". Zudem beflügeln gerade die phantastischen Szenen des Stoffes, wie der Hexentanz in der Walpurgisnacht, die Phantasie zahlreicher berühmter Künstler, so etwa Ernst Barlachs "Hexenritt" (1923) oder Max Schwimmers "Hexenritt" (1957) oder die Farblithographien Bruno Paul Seeners aus der zwölf Blätter umfassenden Mappe "Die klassische Walpurgisnacht" (1921).

Besonders interessant ist auch die Beschäftigung des Malers und berühmten Bildhauers Georg Kolbe mit der Faust-Thematik. Drei der sehr selten gezeigten Blätter aus seiner Faust-Folge von 1901 werden in Leipzig präsentiert: Das Blatt 11 mit dem Titel "Der Herr", Blatt 12 "Verzeiht, ich hör Euch deklamieren ... Durch die man zu den Quellen steigt!" sowie Blatt 15 "Sinnender" wirken wegen der ihnen innewohnenden Intensität der Auseinandersetzung beeindruckend.

Eine wahre Entdeckung stellen die in der Ausstellung ebenfalls gezeigten Werke des weitgehend unbekannten Leipziger Expressionisten Bruno Paul Seener dar. Die Farblithographien "Mephisto-Homunkulus-Oreas" und "Anaxagoras-Thales-Homunkulus" lassen unweigerlich Assoziationen zu Robert Wienes 1920 uraufgeführtem Stummfilmklassiker "Das Cabinet des Dr. Caligari" aufkommen.

Auch in den letzten Jahrzehnten hat die Faszination von Goethes Hauptwerk für die Kunst keineswegs nachgelassen. Bernhard Heisig übertrug 1982 in seinem "Selbstbildnis" die Zerrissenheit Fausts auf seine Person. Der Schauspieler Armin Müller-Stahl schuf erst 2003 die Werke "Die klagenden Frauen" und "Die Vergänglichkeit des Irdischen", die deutliche Anspielungen auf den klassischen Stoff enthalten, obwohl sie letztlich mehr die eigenen Gemütszustände als eine Illustrierung "Fausts" darstellen.

Die Ausstellung "Faust und Mephisto - Goethes Dichtung in der bildenden Kunst" wird noch bis zum 2. April im Leipziger Museum der Bildenden Künste, Katharinenstr. 10, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Mi. von 12 bis 20 Uhr, gezeigt. Tel: 03 41 / 21 69 99 14, Internet: www.mdbk.de

Foto: Rembrandt (1606-1669), "Faust in der Studierstube" (1652/53)

Foto: Max Klinger (1857-1920), "Mephisto in der Studierstube" (1880)


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