© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/06 24. März 2006

Peinliche Pornographie
Theater: "Spieltrieb"
Axel Michael Sallowsky

Vergangenen Donnerstag präsentierte das Hamburger Schauspielhaus seinem Publikum die Uraufführung des Stücks "Spieltrieb" nach dem Roman der hochgelobten Jungschriftstellerin Juli Zeh, für die Bühne "bearbeitet" von Bernhard Studlar. Warum das Buch überhaupt "dramatisiert" worden ist, das weiß Studlar möglicherweise selbst nicht so recht. War es die bittere Erkenntnis, als Dramatiker selbst impotent zu sein? Oder war das Motiv gar intellektuelle Eitelkeit ("Wenn Juli Zeh interessantes Gedankengut transportiert, dann setze ich dem noch eins drauf ...") unter totaler, ja fast schon schmerzhafter Ausschaltung aller Selbstkritik?

Es muß wohl so sein. Denn Bernhard Studlar "dramatisierte" die Vorlage nicht, nein, er banalisierte diesen Roman. Er scheint ihn vollends mißverstanden zu haben. In Roger Vontobel (im Programmheft als Regisseur ausgewiesen) fand Studlar dann auch noch einen Verbündeten, einen konzeptlosen Gesinnungsgenossen, der ihm bei der Roman-Schändung ebenso lustvoll-pubertär wie phantasielos zur Seite stand.

Das Ergebnis war geistige Onanie als Vorspiel und peinliche Pornographie in allem, was diesem Vorspiel da noch szenisch folgte. Die Handlung der "dramatisierten" Roman-Fassung zu erzählen, lohnt sich wahrlich nicht. Es gibt nämlich keine Handlung nach den Gesetzen einer dramaturgischen Logik. Nehmen im Roman die Personen immerhin noch faßbare, reale Konturen im gesellschaftlich-sozialen Spannungsfeld an, so agieren hier seelenlose Figuren, Marionetten an den Strippen einer einfallslosen Regie. Es gibt nur pseudo-philosophisches Gefasel, rhetorische Platitüden en masse, hin und wieder blitzt ein intellektueller Witz auf. Und dann wird auf der nackten Bühne nur noch auf Teufel komm' raus gevögelt, geleckt und geschleckt.

Das Ganze soll das "Porträt einer neuen Generation" sein. Fragt man sich nun aber, um welche Generation es sich hier handeln könnte, dann muß man (zu dieser Annahme verleiten "Dramatisierung" und "Regie") zu dem Schluß gelangen, daß die neue deutsche Generation (also die Jugend) offensichtlich nur eines im Sinn hat: alle moralischen und ethischen Grundwerte sowie alle gesellschaftlichen Regeln (und Tabus) provokativ außer Kraft zu setzen. Um nur noch hemmungs- und wahllos zu vögeln und sich vögeln zu lassen.

Nein. Das ist eindeutig keine neue Generation Diese Produktion ist nicht das Spiegelbild der deutschen Jugend, sie sagt nichts aus über ihre Empfindsamkeiten, Ängste und Hoffnungen. Diese Inszenierung ist einfach nur schlechtes Theater, ist Anti-Theater, ist der schleichende Tod des Theaters auf deutschen Bühnen.

Daß in dieser peinlichen Inszenierung so ganz nebenbei auch noch sieben mehr oder weniger überzeugende Darsteller schauspielerisch mißbraucht werden, das scheint dem vorwiegend jugendlichen Publikum offensichtlich entgangen zu sein, denn es applaudierte heftig, wohl bis zum Schluß auch nicht (be)merkend, daß es selbst mißbraucht worden ist.

Die nächsten Aufführungen von "Spieltrieb" finden statt am 2., 8., 28. und 29. April, jeweils um 20 Uhr, im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses Hamburg, Kirchenallee 39. Karten-Telefon: 040 / 2 48 71-3

Foto: Darstellerin Jana Schulz


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