© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/06 31. März 2006

"Die Blauäugigkeit des DJV macht mich sprachlos"
Gernot Facius, ehemaliger stellvertretender Chefredakteur der "Welt", über das Versagen des Deutschen Journalistenverbandes
Moritz Schwarz

Herr Facius, werden Sie die "Sprachfibel gegen Rassismus" bei Ihrer Arbeit benutzen, die der Deutsche Journalistenverband (DJV) künftigen allen Journalisten anempfehlen will?

Facius: Nein. Und ich kann mir das auch nicht bei den Kollegen vom Spiegel oder der FAZ vorstellen. Aber die Gefahr liegt anderswo: Tatsächlich ist unsere Zeitungslandschaft vor allem durch mittlere und kleine Blätter geprägt. Deren Redakteure sind oftmals anfälliger für sprachliche Beeinflussungen als die der großen Zeitungen. Und da diese Medien obendrein mitunter gerne Agenturberichte direkt übernehmen, könnte durch einen solchen Index bei Agenturen einiges auf dem Felde der journalistischen Unabhängigkeit ins Rutschen geraten. "Fibel" - das klingt nach Verbindlichkeit, nach einem Regelwerk.

Wie weit könnte das gehen?

Facius: Das vermag ich nicht zu sagen. Natürlich ist es grundsätzlich sehr zu begrüßen, wenn sich Journalisten darüber Gedanken machen, wie sie mit der Sprache umgehen; der Journalismus muß immer wieder Fragen an sich selbst stellen. Unser Grundgesetz beginnt nicht von ungefähr mit den Worten: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Auch Journalisten müssen sich darüber Gedanken machen, wie sie diese Würde wahren können. Daß da bei uns nicht alles in Ordnung ist, hat doch zum Beispiel der Fall um Martin Hohmann gezeigt, der wochenlang als "Hetzer" durch die Medien gejagt worden ist.

Ob diese Initiative wirklich darauf abzielt, künftig Fälle wie den Hohmanns zu verhindern?

Facius: Der springende Punkt ist, daß eine ethische Selbstkontrolle der Journalisten nicht verordnet werden kann, sondern in den Redaktionen ausgeübt werden muß. Ansonsten gibt es noch den Deutschen Presserat. Das, was aber jetzt geplant ist, würde darüber hinausgehen und durch seine Sprachregelungen - überspitzt gesagt - eine linke "Schrifttumkammer" bedeuten.

Das heißt, der DJV initiiert gerade das, wovor er seine Mitglieder eigentlich schützen soll?

Facius: Die Gefahr ist real. Es ist schon absurd.

Was denkt man sich dabei?

Facius: Das müssen Sie den DJV fragen.

Die Interviewanfrage der JUNGE FREIHEIT könne nicht entsprochen werden, da der DJV-Vorsitzende Michael Konken verreist sei.

Facius: Ich habe Konken als sachverständigen und überlegten Menschen kennengelernt und bin überrascht, daß er sich auf ein solches Pferd setzen läßt.

Ihre Metapher deutet an, daß Sie eine politische Absicht dahinter vermuten?

Facius: Ganz offenbar bemühen sich diejenigen, die jahrelang versucht haben, die multikulturelle Gesellschaft herbeizuführen oder schönzureden, angesichts des Scheiterns ihres Projektes nun, auf dem Wege der Sprachregelung dies zu bemänteln bzw. zu retten, was angeblich noch zu retten ist. Ich zum Beispiel habe nie Formulierungen wie etwa "Asylantenflut" gebraucht ...

Sie verkennen den Ansatz. Es geht nicht um die Verbannung solch unheilschwangerer Sprachbilder. Es geht um einfache Begriffe an sich, wie etwa "Asylbewerber". Und es geht nicht nur darum, solche nicht mehr zu verwenden, sondern darum, den Sachverhalt, den der Begriff beschreibt, nicht mehr denken zu können. Ausdrücklich will man Begriffsvorstellungen "dekonstruieren"!

Facius: Ich gehe ja sogar noch weiter mit meiner Vermutung, nicht nur Begriffe sollen dekonstruiert werden, sondern Politiken. Kritik an Zuwanderung und multikultureller Gesellschaft etwa soll unterbleiben.

"Ich kann nur hoffen, daß im DJV noch eine Diskussion ausbricht"

Warum sieht der DJV das nicht?

Facius: Das Pikante ist doch: Wenn es heute Antisemitismus und Rassismus in einer relevanten Größenordnung gibt, dann doch vor allem dank der gesellschaftlichen Veränderung, die die Macher dieser Fibel mit ihrem Projekt vor Kritik schützen wollen. Antisemitismus und Rassismus existiert nämlich vor allem dort, wo die unkontrollierte Zuwanderung Parallelgesellschaften geschaffen hat, die sich einer Unterordnung unter unsere freiheitlich-demokratische Leitkultur entziehen. Ich hoffe sehr, daß im DJV eine entsprechende Diskussion noch ausbricht. Schließlich ist der Verband kein Monolith, sondern besteht aus vielen Köpfen.

Im Fall der Mohammed-Karikaturen hat keine Redaktion versäumt, ihren unermüdlichen Einsatz für die Pressefreiheit laut zu bekunden. In diesem Fall hat sich bislang aber noch keine einzige deutsche Zeitung zu Wort gemeldet.

Facius: Dieses fragwürdige Verhalten ist nicht neu. Denken Sie doch nur an Ihren eigenen Fall! Während sich alle unlängst für die Mohammed-Karikaturen eingesetzt haben, hat für die Pressefreiheit Ihrer Zeitung doch kaum einer den Finger gerührt. Da war doch viel Heuchelei im Spiel.

Siegfried Jäger, Leiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS), das die Fibel erstellen will, nahm nicht nur an einer von der PDS mitorganisierten "Anti-Rassismus"-Veranstaltung teil, sondern ist auch Mitglied im Beirat des "Bündnis für Demokratie und Toleranz", das etwa Gelder an Institutionen verteilt, denen die damalige rot-grüne Bundesregierung "Anhaltspunkte für linksextreme Bestrebungen" attestierte, oder die nach eigenen Worten gegen "rassistische Sondergesetze" in Deutschland kämpfen (siehe Seite 12). Glaubt der DJV wirklich an die politische Neutralität des DISS?

Facius: Offensichtlich dient die Fibel dem sogenannten "Kampf gegen Rechts". Ohne dabei zwischen "rechts" und "rechtsextrem" zu unterscheiden. Es ist kein Wunder, daß man da glaubt, "links" an der richtigen Adresse zu sein. Diese Blauäugigkeit des DJV macht mich sprachlos.

 

Gernot Facius der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt ist heute als Korrespondent sowie als Herausgeber und Autor medienpolitischer Publikationen tätig. Zweimal war er Vorsitzender der Jury des renommierten Theodor-Wolff-Preises. Geboren wurde Facius 1942 in Karlsbad in Böhmen.

 

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