© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/06 31. März 2006

Mohammed und die Stockholmer Pressefreiheit
Schweden: Die zurückgetretene Außenministerin Laila Freivalds ließ Internetseiten einer Rechtspartei sperren
Anni Mursula

Auf dem offiziellen Internetportal Schwedens erfährt man so man-cherlei Wissenswertes über das skandinavische Königreich. Zu den zehn wichtigsten Dingen, die man über Schweden wissen sollte, zählt das verantwortliche Schwedische Institut (www.si.se) auch, daß die Pressefreiheit bereits im Jahre 1766 in die Verfassung aufgenommen wurde. Damit sei es das erste Land der Welt, das die Freiheit der Presse kodifiziert habe.

Die Nachrichten der vergangenen Woche lassen diese so hochgepriesene schwedische Pressefreiheit allerdings in völlig neuem Licht erscheinen. Denn die sozialdemokratische Außenministerin Laila Freivalds trat am Dienstag zurück, weil sie in Zusammenarbeit mit der Sicherheitspolizei (SäPo) die Internetseiten und die Netzzeitung der schwedischen Rechtspartei Schwedendemokraten (SD) schließen ließ (JF 13/06). Dieser verfassungswidrige Eingriff in die Pressefreiheit - durch die Schließung einer ganzen Zeitung - ist laut schwedischen Medien einmalig in der Nachkriegszeit.

Die Konsequenzen wurden übrigens recht spät gezogen, denn der Vorfall fand bereits Anfang Februar statt, auf dem Höhepunkt des weltweiten Streits um die Mohammed-Karikaturen (JF 07/06). Ähnlich wie viele andere Zeitungen in Europa (Die Welt, taz, die Zürcher Weltwoche, die Wiener Kronen Zeitung, France Soir) hatte auch die Zeitung SD-Kurieren die umstrittenen dänischen Zeichnungen auf ihren Seiten abgebildet. Außerdem hatte das offizielle SD-Parteiorgan einen eigenen "Karikaturenwettbewerb" organisiert und einige Ergebnisse publiziert. Als sich die Gewalttaten in den arabischen Ländern aufgrund der dänischen Karikaturen zuspitzten, bekamen die SäPö und das Außenministerium es vermutlich mit der Angst zu tun, daß auch Schweden durch die Karikaturen im SD-Kurieren Schaden tragen könnte.

Daraufhin wurden die Seiten der Partei und ihrer Netzzeitung am 10. Februar ohne Vorwarnung von der schwedischen Internetfirma Levonline geschlossen. Angesichts des folgenden Medienrummels gab die Firma schließlich zu, daß sie unter Druck gesetzt worden war. Die Anordnung für die Schließung sei vom Außenministerium und der SäPo gekommen.

Die aber verleugneten ihre Einmischung anfangs, da sie sehr gut wußten, daß die schwedische Verfassung dergleichen verbietet. Die SäPo behauptete, daß sie erst nach der Schließung der Seiten Kontakt mit Levonline aufgenommen hätte. Auch Außenministerin Freivalds beteuerte, sie habe nichts mit der Sache zu tun. Etwas später ruderte sie allerdings ein wenig zurück und gab zu, daß zwar ein Beamter des Außenministeriums bei Levonline angerufen hätte, sie selber aber zu dem Zeitpunkt nicht darüber informiert gewesen sei.

Zensur-Zusicherung an jemenitischen Außenminister

In Wirklichkeit lief die Sache anders. Kurz nachdem Freivalds ihre Einmischung bestritt, soll sie nach einem Bericht der Zeitung Yemen Observer vom 15. Februar unter anderem dem Außenminister des Jemens, Abu Baker Al-Qirbi, einen Brief geschrieben haben. In diesem habe sie ihr Entsetzen und ihre Betroffenheit über die nun auch in ihrem Land und dazu noch in einer "rechtsradikalen" Zeitung veröffentlichten Karikaturen geäußert. Außerdem habe sie versichert, daß die schwedische Regierung die Internetseiten geschlossen habe. Ungeschickt, kann man nur sagen, wenn man im eigenen Land eine Einmischung bestreitet, aber im Ausland versichert, die Regierung habe sich um die Schließung gekümmert.

Für die SD - die bislang nur in einigen Kommunalparlamenten vertreten ist und bei den letzten Reichstagswahlen lediglich 1,4 Prozent erhielt - ist der Rummel um Freivalds' Rücktritt sicherlich ein Gewinn. Die Affäre zeigt auch, daß die Pressefreiheit in Schweden weiterhin auch für rechte Parteien und Medien gilt.

Zudem paßt der Rücktritt auch ins Konzept der regierenden Sozialdemokraten. Freivalds war ihnen zur Last geworden, da sie in den letzten Monaten in mehrere Skandale verwickeltwar. Ihr wurde unter anderem vorgeworfen, daß sie nach der Tsunami-Katastrophe, bei der 543 Schweden ums Leben kamen, als Außenministerin unprofessionell und nachlässig gearbeitet habe. Somit fand Ministerpräsident Göran Persson womöglich Freivalds' Rücktritt doch nicht so "bedauerlich", wie er es in den Medien betonte. Im Gegenteil dürfte er ihm, nur sechs Monaten vor den Wahlen, sogar ganz gelegen kommen.

Bereits am Montag stellte Persson Freivalds' Nachfolger, den derzeitigen Vorsitzenden der Uno-Vollversammlung, Jan Eliasson, vor. Der Spitzendiplomat soll sein neues Amt am 24. April übernehmen und sein Uno-Amt dennoch bis September weiterführen.

Ministerin Freivalds: Entsetzen


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