© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/06 31. März 2006

Wie Feuer und Wasser
Erinnerung an H. Pesch
Arnd Klein-Zirbes

Am 1. April vor achtzig Jahren starb mit Heinrich Pesch einer der bedeutendsten Vertreter der katholischen Soziallehre. Der 1854 in Köln geborene Sozialwissenschaftler entwickelte eine Wirtschaftstheorie, die er als "Solidarismus" bezeichnete. Pesch sah weder im Kapitalismus noch im Sozialismus ein erstrebenswertes Gesellschaftssystem. Er kann getrost als Großvater der Sozialen Marktwirtschaft bezeichnet werden.

Daß Pesch als Jesuit kaum Sympathien für den atheistischen Marxismus hegen konnte, liegt auf der Hand. Neben einem verkehrten Menschenbild bescheinigte er dem "wissenschaftlichen Sozialismus" eine "volkswirtschaftliche Impotenz". Der Sozialismus habe nach dem Ersten Weltkrieg für den Wiederaufbau der deutschen Volkswirtschaft nichts zu leisten vermocht, so Pesch 1924. Nur ein christlich geprägtes Gesellschaftssystem könne Bestand haben: "Der Sieg des einigenden Berufsgedankens über den trennenden Klassengedanken des Sozialismus wird unserem armen Volke den Frieden, durch ehrliche Gemeinschaftsarbeit die ersehnte allgemeine Wohlfahrt bringen". Bemerkenswert sind seine Feststellungen zum Kapitalismus, der ein dekadentes Bürgertum zu generieren scheint: "Kapitalismus und Christentum stehen einander gegenüber wie Feuer und Wasser." Die Gesellschaft sei durch den Kapitalismus in einen unerhörten Gärungsprozeß geraten. Erst wenn dem Proletariat Teilhabe am wirtschaftlichen Aufstieg gewährt werde, könne sozialer Friede entstehen.

Pesch grenzte den Produktionsfaktor Arbeit in seinem Lehrbuch der Nationalökonomie als menschliche Größe von anderen Faktoren ab: "Die anthropozentrisch-teleologische Auffassung beherrscht und bestimmt in letzter Linie unsere Stellung zu allen Problemen der wissenschaftlichen Nationalökonomie und zu allen Fragen praktischer Sozialpolitik." Er sieht in der menschlichen Arbeitskraft nicht weniger als "in ihrer Wurzel Gottes Gabe", die durch das Schöpferische die Gottesebenbildlichkeit des Menschen widerspiegele. Vor dem Hintergrund, daß schon Max Weber dem Christentum bescheinigte, eine Handwerkerreligion zu sein, deren Heiland ein Zimmerer sei, verwundert es kaum, daß Pesch dem Klein- und Mittelstand als personenbezogene Betriebe eine große Bedeutung beimaß.

Wenn Heinrich Pesch heute aus dem Blickwinkel sozialwissenschaftlicher Forschungen gerät, ist dies auch ein Zeichen dafür, daß wir uns von den Wurzeln der Sozialen Marktwirtschaft gelöst haben. Diese war als Synthese der christlichen Soziallehre und des Ordoliberalismus gedacht. Wer ihr in Zeiten der Globalisrierung ihre Existenzberechtigung abspricht, ignoriert, daß "die Wirtschaft" aus handelnden Personen besteht. Es gibt keinen Grund, warum diese ihr Handeln nicht an einer ethischen Richtschnur ausrichten sollten.


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