© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/06 07. April 2006

Hörer, zur Sonne
Konzert: Beethovens Fünfte, dirigiert von C. Thielemann
Andreas Strittmatter

Revolutionen lassen sich kaum bis in die letzte Einzelheit planen. Dirigenten, die sich ein Stück Revolutionsmusik vorknöpfen, haben es in dieser Frage einfacher. Bei kundiger Hand und straffer Führung lassen sich selbst die Wiener Philharmoniker (diese sprichwörtliche und bei planlosen Dirigenten auch widerborstige "Demokratie der Könige") ohne Mucken und subversive Sabotage die Meinung zur Musik geigen. Im Baden-Badener Festspielhaus gelang dies Christian Thielemann mit Ludwig van Beethovens 5. Symphonie, ob der dräuenden Orchesterschläge in c-moll zu Beginn auch - eher irreführend - "Schicksalssymphonie" geheißen.

Beethovens Thema ist aber nicht Fügung, sondern Agitation, die im Finalsatz in einen Eclat triomphal mündet, in den strahlenden Triumph. Über zwei Jahrhunderte nach der Französischen Revolution führte Thielemann die Brüder aus Wien (einige Damen sind zwischenzeitlich auch darunter) dann auch zumindest zur Freiheit einer von den Grabenkämpfen der "richtigen" Wiedergabe (Stichwort Metronom-Angaben) unberührten Beethoven-Interpretation und das Publikum zur Sonne: Einer Sternstunde läßt sich durchaus das Wort reden.

Der Versuchung, sich bei einem Repertoireschinken wie Beethovens Fünfter auf die Gesamtwirkung des allseits Beliebten und Beliebigen zu verlassen, ist Thielemann nicht erlegen. Die Klangorganisation geriet, wie man es bei einem mit Bruckner und dessen symphonischen Steigerungsreihen vertrauten Dirigenten erwarten darf, hervorragend. Thielemann, der vor einiger Zeit mit Bruckners Fünfter seinen umjubelten Einstand bei den Münchner Philharmonikern gab, wußte, an welcher Stelle wieviel Pulver verschossen werden kann, um im abschließenden Allegro-Finale nicht mit leeren Magazinen vor dem Publikum zu stehen.

Bewundernswert nahm sich zudem die Detailarbeit aus. Immer wieder holte der Dirigent Nuancen und Motive aus dem Hintergrund der musikalischen Faktur an die Oberfläche, ohne den Gesamteindruck in expressive Einzelteile zerfallen zu lassen.

Allein das Ende des zweiten Satzes entglitt Thielemanns Hand - eine jener (bei Beethoven nicht seltenen) Stellen, wo sich schon der Komponist nicht recht entscheiden mag, wie er dieses Andante con moto zu einem Ende bringen soll. Bei Thielemann klang dies wie ein unfreiwilliges Final-Trauma en miniature, leicht zerfleddert und nicht mehr ganz organisiert. Mehr kann man an diesem Beethoven aber auch nicht mäkeln.

Zuvor widmete sich der Abend zweier Jubilare: Das eher pralinesk dargebotene Konzert für Fagott und Orchester B-Dur (KV 191) verstand sich eher als elegant musizierter (Solist: der Philharmoniker Stepan Turnovsky) Appetithappen zur aktuellen Mozartmanie. Und in Robert Schumanns 150. Todesjahr setzte man dessen Dritte Symphonie Es-Dur aufs Programm. Thielemann folgte hierbei jenen Tugenden, die er auch bei Beethoven kultivierte. Ein wenig "Multikulti" konnte dann auch sein, denn nicht oft dürften Passagen der "Rheinischen Symphonie" mit sprichwörtlichem Wiener Schmäh köstlich abphrasiert werden.


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