© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/06 07. April 2006

Hinterher waren alle beim Widerstand
"Sperrstunde": Ausstellung über den dänischen Kriegsalltag 1940 bis 1945 im Kopenhagener Nationalmuseum
Matthias Bath

Das Kopenhagener Nationalmuseum zeigt zum 60. Jahrestag des Kriegsendes derzeit eine Sonderausstellung über das Alltagsleben während der Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg. Zeitpunkt und Thema der Ausstellung setzen sich dabei bewußt von dem politischen Jubiläum im Frühjahr diesen Jahres ab. Dennoch ist schon der halbdunkle, mit Tarnnetzen verhängte Ausstellungssaal voller Symbolik. Nicht zuletzt angesichts der weitverbreiteten Kollaboration mit der Besatzungsmacht gelten diese fünf Jahre in der Überlieferung als ein langer, dunkler Abschnitt der dänischen Geschichte. Zudem prägten gerade die kriegsbedingten Verdunkelungsmaßnahmen auch das Alltagsleben der Dänen während jener Jahre.

Dieses Alltagsleben steht aber im Mittelpunkt der Ausstellung. Schließlich war der Großteil der dänischen Bevölkerung seinerzeit weder im Widerstand noch auf seiten der Deutschen engagiert. Man versuchte ein normales Leben so weit als möglich weiterzuführen. Aber wie war das, in einem besetzten Land zu leben?

Die Ausstellung folgt in Beantwortung dieser Frage einer Hauptspur in der Mitte der Ausstellungsfläche. Diese Hauptspur spiegelt wider, was damals den Alltag der Allgemeinheit prägte: Verdunkelung, Ersatzstoffe, Rationierungen, deutsche Soldaten im Straßenbild und später Terror, Kriminalität und die Furcht vor einem möglichen blutigem Kriegsende auf dänischem Boden. Man trug Kleidung aus kratzenden Kunstfasern und rauchte mangels Tabak unter anderem Zigaretten aus Apfelblättern. In den eiskalten Kriegswintern heizte man mangels Koks und Öl überwiegend mit Torf und Braunkohle. Da private Autofahrer keine Zuteilungen des rationierten Benzins erhielten, mußten sie ihre Fahrzeuge auf den Betrieb durch Holzgasgeneratoren umstellen oder bis zum Kriegsende stillegen. Vereinzelt wurden auch Pferde als Zugtiere vor Autos gespannt. Der Verkehr verlagerte sich auf die Benutzung von Fahrrädern. Aber auch hier führte der Gummimangel dazu, daß schließlich immer mehr Fahrräder mit Holzreifen fuhren.

Flankiert wird diese Hauptspur von zwei Seitenspuren an den Wänden der Ausstellung, die die damalige "Wirklichkeit" derjenigen beschreiben, die sich für die eine oder andere der kriegführenden Seiten engagierten. Während die für Deutschland, die Kollaboration und die dänischen Nationalsozialisten stehende Seitenspur von Anbeginn an die Hauptspur begleitet, setzt die zweite Nebenspur (Alliierte und Widerstandsbewegung) erst am Ende des ersten Ausstellungsteils ein.

Für deutsche Wahrnehmung ungewohnt widmet sich die erste Tafel dieser Seitenspur der "nationalen Opposition" in Dänemark. In der Tat waren es Zirkel nationalbewußter Dänen, die über die fremdländische Besetzung ihres Landes entrüstet 1940/41 als erste die zumindest geistige Auseinandersetzung mit der Besatzungsmacht und der mit dieser zusammenarbeitenden dänischen Regierung aufnahmen. Zwar gelang es der nationaldänischen Opposition nicht, eine politische Alternative zur dänischen Regierungspolitik zu bilden, aber sie stellte dennoch bis 1943 die Grundlage für den nichtkommunistischen Teil der Widerstandsbewegung dar. Der Widerstand der Kommunisten spielt in der Ausstellung eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.

Je mehr die Kriegsentwicklung auf die bevorstehende deutsche Niederlage hindeutete, desto mehr mündet die Seitenspur des Widerstandes schließlich auch in die Hauptspur des dänischen Durchschnittsbürgers ein. Nach der Befreiung am 5. Mai 1945 fühlte sich nahezu jeder Däne, abgesehen natürlich von denen, die auf deutscher Seite aktiv gewesen waren, dem Widerstand verbunden, wenn nicht gar zugehörig. So fehlt in der letzten Abteilung der Ausstellung, die sich mit der Nachkriegszeit und der Rezeption der Besatzungszeit in Dänemark befaßt, auch die Einteilung in verschiedene Spuren.

Es handelt sich um eine insgesamt sehr sehenswerte Ausstellung, die noch bis zum 17. April besichtigt werden kann.

Nationalmuseum, Frederiksholms 12, DK-1220 Kopenhagen, Telefon: 00 45 / 33 13 44 11. Täglich außer montags 10 bis 17 Uhr.

Foto: Dänischer Polizist kontrolliert in Odense Passanten (1942)


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