© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/06 07. April 2006

"Alles für Deutschland, Deutschland für Christus"
Katholische Jugendbewegung: Vor fünfzig Jahren starb Pater Esch, Gründer und Kanzler des "Neudeutschland"-Bundes
Manfred Müller

Die Lage unseres Vaterlandes ist derart traurig geworden, daß es uns allen tief ans Herz greift. Not, Hunger und Verzweiflung bedrohen ganze Volkskreise. Innere und äußere Mächte treiben auf den Zerfall unseres Reiches... Jetzt wollen wir beweisen, daß uns an echter, deutscher Treue niemand übertrifft." Dies schrieb am 1. November des Krisenjahres 1923 Ludwig Esch SJ in einem Rundbrief, der damals viele tausend Gymnasiasten erreichte. Es waren Worte, die so gar nicht zu dem propagandistischen Klischee vom ultramontan-reichsfeindlichen Jesuiten passen wollten.

Esch (1883-1956) ist geradezu das Musterbeispiel eines sehr national empfindenden Priesters. In seiner Wirkung als katholischer Jugendseelsorger wurde er im 20. Jahrhundert in Deutschland allenfalls von Prälat Wolker übertroffen. Der gebürtige Kölner Esch trat 1902 in den Jesuitenorden ein. 1914 in Valkenburg zum Priester geweiht, diente er im Ersten Weltkrieg als Militärpfarrer. Wegen seines selbstlosen apostolischen Wirkens, seiner feurigen Beredsamkeit und seines unermüdlichen Einsatzes für Verwundete und Sterbende schickte man ihn zu fast allen wichtigen Kriegsschauplätzen bis nach Palästina, der Türkei und Armenien. Zuletzt war er Armeeoberpfarrer der Ostarmee.

Elitebildung für das Vaterland

Nach den revolutionären Umgestaltungen in Deutschland zog der Kölner Erzbischof Felix Kardinal von Hartmann den Pater im Sommer 1919 zur Gründung einer religiösen Schülervereinigung heran: "Neudeutschland. Verband katholischer Schüler höherer Lehranstalten" (ND). Eschs rhetorisches und organisatorisches Geschick trugen stark dazu bei, daß Ende 1919 bereits 10.000 Sekundaner und Primaner dem ND beigetreten waren. Der anspruchsvolle Name "Neudeutschland" ließ die Absicht erkennen, über katholische Elitebildung einen wesentlichen Beitrag zur Neugestaltung des Vaterlandes zu leisten. Esch erkannte, daß der Verband offen sein mußte für Geist und Formen der deutschen Jugendbewegung, wenn er in der damaligen Zeit Erfolg haben wolle. So wurde aus dem Verband der "Bund Neudeutschland", aus dem Generalsekretär Esch der Kanzler des Bundes.

1933 hatte der Schülerbund 22.000 Mitglieder (allerdings warb man seit Jahren schon ab Klasse 7 und begann nun, auch schon die Jungen ab Klasse 5 für den Bund anzusprechen). Esch hielt eine stromlinienförmige Anpassung an das NS-System für notwendig, wenn der Bund erhalten bleiben sollte. Unmißverständlich aber betonte er, daß die Jugendarbeit des Bundes zu geschehen habe "in erstem Verantwortungsbewußtsein vor Christus, unserm Erlöser und göttlichen Führer, den wir in der deutschen Jugend bekennen, verteidigen und leben wollen". Für 1934 gab Esch die Parole aus: "Alles für Deutschland, Deutschland für Christus" und übernahm damit sinngemäß die Losung der flämisch-nationalen Bewegung, die 1929 auf dem Ijzer-Monument in Diksmuide die Inschrift angebracht hatte: "Alles voor Vlaanderen, Vlaanderen voor Christus".

Doch bei allem taktischen Geschick konnte Esch, der oft zur Gestapo zitiert wurde, nicht verhindern, daß das NS-Regime durch regionale Teilverbote den Bund immer stärker lahmlegte und 1939 die noch bestehenden Reste verbot und auflöste. Nach 1945 wollten die westdeutschen Bischöfe die katholische Jugendarbeit auf Pfarrebene (ohne Berücksichtigung von Organisationen wie den ND) organisieren. Esch aber gelang es, durch geschicktes Taktieren (er versicherte sich der Zustimmung von Kardinal Frings und Papst Pius XII.) den ND wieder entstehen zu lassen.

Unter den chaotischen Verkehrsverhältnissen in der deutschen Trümmerlandschaft war es für den Pater eine große Strapaze, von Stadt zu Stadt zu eilen, Exerzitien zu geben und Vorträge zu halten, spontan entstandene ND-Gruppen zu bestärken und neue Gruppen zu gründen. Mit 65 Jahren gab er 1948 die Leitung der ND-Jungengemeinschaft ab. Der begnadete Exerzitienmeister, der glänzende Kanzel- und Rundfunkredner, der religiöse Schriftsteller und der viele junge Menschen beeindruckende Organisator erhielt nun von seinem Orden eine neue Aufgabe: Priesterseelsorge in Österreich. 1953 warf ihn ein Schlaganfall aufs Krankenbett. Am 8. April 1956 starb der hochbegabte Jugendapostel in St. Andrä in Kärnten.


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