© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/06 14. April 2006

"Verunglimpfung der polnischen Nation"
Geschichtspolitik: Ein Gericht im schlesischen Hirschberg hat drei Deutsche verurteilt, die mit Flugblättern an die Vertreibung erinnert haben
Ekkehard Schultz

Am vergangenen Freitag sind drei Mitglieder der Schlesischen Jugend - einer Nachwuchsorganisation der Landsmannschaft Schlesien - in einem Revisionsverfahren vom polnischen Landgericht in Hirschberg (Jelenia Gora) zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß sich die Angeklagten Jürgen Hösl, Robert Göpfert und Stephan Roth durch "Verbreitung von Plakaten mit verleumderischen Inhalt" der "Verunglimpfung der polnischen Nation" und "Anstiftung zum Völkerhaß" schuldig gemacht hätten.

Hösl erhielt zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung, Göpfert und Roth je acht Monate auf Bewährung. Der Bewährungszeitraum beträgt jeweils drei Jahre. Mit diesem Urteil blieb das Gericht nur knapp unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die für alle Angeklagten jeweils ein Jahr auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von 3.000 Zloty (rund 750 Euro) gefordert hatte.

Mit einer Schar von Helfern waren Hösl, Göpfert und Roth seit dem 1. Mai 2004 - dem Datum des EU-Beitrittes von Polen und Tschechien - in diese Staaten gereist, um dort Flugblätter zu verbreiten. Unter der Überschrift "Polen und Tschechen - Herzlich willkommen in der EU! Unsere Justiz arbeitet bereits fleißig, denn Mord verjährt nicht" wurden auf den anonymen Schriften zahlreiche Bilder mit "Dokumenten polnischer und tschechischer Grausamkeiten an Deutschen" abgedruckt, mit denen das "Massensterben von Deutschen" "in ausländischen Vernichtungslagern" nach Kriegsende dokumentiert werden sollte.

Zur Planung dieser Aktion, die unter dem Motto "Gegen das Vergessen" stand, hatte Hösl, der auch für die DSU im Stadtrat von Görlitz sitzt, in einer Vorabinformation an Unterstützer geschrieben: "Wir werden kreuz und quer durch Deutschland, seine völkerrechtswidrig abgetrennten Ostgebiete und im Kernland der Vertreiberstaaten, also an vorderster Front umherfahren und an die deutschen, bis heute ungesühnten und verschwiegenen Opfer erinnern." Neben dem Erinnern wurde auf den Flugblättern, die sowohl in deutscher wie in polnischer und tschechischer Sprache hergestellt worden waren, "die Rückgabe der völkerrechtswidrig enteigneten Häuser und Grundstücke ... im nun demokratischen Polen und Tschechien" gefordert.

Kritik an BdV-Präsidentin Erika Steinbach

Mit dieser Forderung hatte Hösl als damaliger Bundesvorsitzender der Schlesischen Jugend auch Stellung gegen die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, bezogen. Er warf ihr vor, "sogar die Rückgabe von Privateigentum in Ostdeutschland" abzulehnen, da Steinbach und ihre Organisation "finanziell zu 100 Prozent staatlich abhängig" seien. Als Konsequenz kündigte Hösl bereits damals an, künftig "einen Teil der Arbeit (zu) machen, den (die Funktionäre des BdV) seit Jahrzehnten unterdrücken".

Ferner sprach er sich scharf gegen die Absicht Steinbachs aus, innerhalb eines Zentrums gegen Vertreibungen neben den deutschen Vertriebenen auch die Vertreibungsopfer anderer Nationen und Völker zu berücksichtigen: "Wir brauchen kein Zentrum gegen Vertreibungen, in denen die Hutus und Tutsis, Bosnier und Polen bemitleidet werden. Der Opfergang des deutschen Volkes hat eine eigene Ausstellung verdient", sagte Hösl.

Im Jahr 2003 hatten die Angeklagten anläßlich des Gipfeltreffens von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem französischen und dem polnischen Staatspräsidenten, Jacques Chirac und Aleksander Kwasniewski, in Breslau in einer nächtlichen Aktion rund 700 Holzkreuze mit der Inschrift "Niemcy (Deutsche) 1945-46" an verschiedenen Landstraßen in Schlesien aufgestellt. Dabei waren sie von der polnischen Polizei entdeckt und verhaftet worden. Die Aktion wurde als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße belegt. Um eine erneute Verhaftung bei der Plakataktion im Frühjahr 2004 zu vermeiden, waren unter anderem Nachtsichtgeräten angeschafft worden.

Trotz dieser Vorkehrungen wurden die späteren Angeklagten Ende Juli 2004 bei einer nächtlichen Plakatieraktion von einer Überwachungskamera gefilmt. Bei einer Polizeikontrolle des Wagens wurden die Plakate im Kofferraum entdeckt und das Fahrzeug beschlagnahmt (JF 36/04).

In einer ersten Stellungnahme bezeichneten die drei Angeklagten das Urteil als "nicht akzeptabel" und kündigten an, in Revision zu gehen. Es sei jedoch "die logische Konsequenz aus dem in weiten Teilen unsachlich geführten Prozeß, der sich um ein polnisches Tabuthema dreht". Gewünscht hätten sie sich, einen Anstoß zur "Revision der polnischen Geschichtsschreibung" zu leisten.


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