© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/06 21. April 2006

Frisch gepresst

Canaris. Drei umfangreiche Biographien über den deutschen "Abwehr"-Chef Admiral Wilhelm Canaris liegen bislang vor, hübsch verteilt auf die goldenen Jahre der alten BRD. Zuerst kam Karlheinz Abshagen, der den am 9. April 1945 wegen seiner Beteiligung am "20. Juli" hingerichteten Canaris als "Patrioten und Weltbürger" verklärte (1955), passend zur gleichzeitigen filmischen Adaption, in der O. E. Hasse mit dem rollenden westpreußischen R den rheinischen Großbürgersproß verkörperte. Dann erschien 1969 die Koproduktion von Heinrich Fraenkel und Roger Manvell, schon kritischer über den "Spion im Widerstreit", bevor 1976 der Spiegel-Redakteur Heinz Höhne mit "Patriot im Zwielicht" das Canaris-Bild - man sollte meinen - für alle Zeiten fixierte. Dessenungeachtet hat nun der Journalist Michael Mueller, in der Frühphase seines Unternehmens beraten von Höhne und gestützt auf umfassende Archivstudien, einen erneuten Anlauf genommen (Canaris. Hitlers Abwehrchef, Propyläen, Berlin 2006, 576 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro). Obwohl Mueller einige neue Aktenfunde präsentieren kann, muß man die Verlagswerbung, der Autor biete eine "Fülle bislang unbekannter Details", doch so wörtlich nehmen, daß wirklich nur Einzelheiten an dem von Höhne gelieferten Porträt korrigiert werden. In wesentlichen, ungeklärten Fragen, etwa Canaris' Beteiligung an der Liquidierung von Luxemburg/Liebknecht oder über die Intensität seiner Kontakt zu Himmler 1943/44, speziell darüber, wie genau der "Reichsführer" über die Vorbereitungen der "Verschwörer" um Stauffenberg im Bilde war, muß auch Mueller passen.

Freud. Zum 150. Geburtstag des Mannes, den man nach vielen kritischen Studien, unter denen manche sein Werk in die Nähe der Scharlatanerie gerückt haben, heute weniger als Psychoanalytiker denn als Kulturphilosophen und Zeitkritiker wahrnehmen sollte, spucken Verlage "viel Freud" aus. Auch Langen Müller schließt sich da an, kann aber nur eine Lebensbeschreibung bieten, die 1989 zum ersten Mal erschien und in viele Sprachen übersetzt wurde. Ihr Verfasser, der Wiener Publizist Georg Markus, hat sein Werk nicht überarbeitet, vielleicht zu Recht meinend, daß es sich in hergebrachter Form weiterhin als flotte Lektüre empfiehlt, um eine erste Bekanntschaft zu vermitteln mit einem jener genial vereinfachenden, naturwissenschaftlichen Welterklärer vom Schlage Darwins oder Haeckels, die für das nach Sinn hungernde 19. und frühe 20. Jahrhundert so charakteristisch waren (Sigmund Freud. Die Biographie. Langen Müller, München 2006, 350 Seiten, Abbildungen, 22,90 Euro).


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