© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/06 05. Mai 2006

Jeder dritte Euro für den Erhalt alter Strukturen
Subventionsbericht: Der von Koch und Steinbrück versprochene "Subventionsabbau im Konsens" ist steckengeblieben
Josef Hämmerling

Massive Kritik an der Subventionspolitik in Deutschland hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geübt. Entgegen vielerlei vollmundigen Versprechungen sei bis heute kaum etwas geschehen. In einer kürzlich in Köln veröffentlichten Analyse erinnerte das unternehmernahe Forschungsinstitut an die im September 2003 von dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und seinem damaligen nordrhein-westfälischen Amtskollegen Peer Steinbrück (SPD) veröffentlichte Studie "Subventionsabbau im Konsens". Danach sollte das Subventionsvolumen zwischen 2004 und 2006 jährlich um vier Prozent gekürzt werden.

Tatsächlich wurden die Steuervergünstigungen und Finanzhilfen von Bund, Ländern und Gemeinden in diesem Zeitraum lediglich um zwei Prozent auf 55 Milliarden Euro verringert, was 6.700 Euro pro Kopf der Bevölkerung entspricht. Daß sich an der Subventionsfront in den vergangenen Jahren wenig getan hat, läßt sich an einem Teilbereich der Subventionen, den Steuervergünstigungen, besonders gut ablesen: Sie verschlangen mit 28,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gut sechs Prozent der Steuereinnahmen - und damit genausoviel wie im Jahr 2003.

Ausgewählter Kreis von Branchen und Unternehmen

Dabei ist nach Ansicht der Kölner Wirtschaftsforscher ein Subventionsabbau nicht nur aus fiskalischen, sondern auch aus wettbewerbs- und ordnungspolitischen Gründen unbedingt geboten: Denn dadurch, daß Finanzhilfen und Steuervergünstigungen immer nur einem ausgewählten Kreis von Branchen, Unternehmen oder auch Privathaushalten zugute kommen, werden automatisch die Nichtbegünstigten diskriminiert. Zudem wird der Wettbewerb verfälscht und stellen Subventionen einen staatlichen Eingriff dar, der eigentlich in einem marktwirtschaftlichen System keinen Platz hat.

Problematisch ist dem IW zufolge auch, daß der einzige akzeptable Grund für Subventionen, nämlich die Unterstützung des Strukturwandels in der Wirtschaft, nur ein Randfaktor ist. Denn nur jeder zehnte Subventionseuro wurde zuletzt dafür aufgewendet. Dagegen dient jeder dritte Euro der Strukturkonservierung, insbesondere in der Landwirtschaft, und verlangsamt damit sogar den notwendigen Strukturwandel. Das Ergebnis: Wettbewerbsfähige Unternehmen werden durch subventionierte verdrängt.

Auch die Ankündigung der schwarz-roten Bundesregierung, bis Ende 2009 Subventionen von 17 Milliarden Euro streichen zu wollen, nimmt das Kölner Institut mit Skepsis auf. Zwar seien zum Beispiel die Abschaffung der Eigenheimzulage für Neufälle oder die eingeschränkten Abschreibungsmöglichkeiten für bestimmte Kapitalanlagen wie etwa Medien- und Videospielfonds zu begrüßen. Negativ sei dagegen das Sofortprogramm für Wachstum und Beschäftigung zu werten, das bis 2009 insgesamt 5,5 Milliarden Euro kostet. Damit verstoße die Bundesregierung gegen ihre eigenen Leitlinien, wonach neue Subventionen nur noch als zeitlich befristete Zuschüsse gewährt werden sollen, die zudem Zug um Zug abgeschmolzen werden sollen.

Dennoch hat die Bundesregierung nach Ansicht des Kölner Instituts den richtigen Weg eingeschlagen, da dadurch die Subventionen in den kommenden drei Jahren immerhin um 11,5 Milliarden Euro sinken würden. Statt einzelne Subventionen abzubauen, was nur zur Eifersucht der hiervon betroffenen Bereiche gegenüber den Nichtbetroffenen führt, wäre eine allgemeine Kürzung der Steuerzuschüsse und Finanzhilfen um einen bestimmten Prozentbetrag sinnvoller und durch die Opfersymmetrie politisch auch besser durchsetzbar.

Der Gesamtverband des deutschen Steinkohlebergbaus (GVST) wandte sich derweil gegen Forderungen, die Kohlesubventionen weiter abzubauen. Es sei zwar richtig, daß die Steinkohlehilfen unter den direkten Finanzhilfen des Bundes mit rund 1,6 Milliarden Euro in 2006 nach wie vor die größte Einzelmaßnahme darstellten. Allerdings entfalle der zwischen 2003 und 2006 erreichte Subventionsabbau zu fast 70 Prozent auf die Steinkohle. So liege der Anteil der Steinkohlenbeihilfen an den gesamten Subventionen des Bundes nur noch bei 7,1 Prozent.

"Diese nüchternen und doch aussagekräftigen Zahlen strafen einmal mehr all diejenigen Lügen, die unverdrossen den Eindruck erwecken, die Steinkohle sei unverändert mit Abstand größter Empfänger öffentlicher Hilfen, und - ausgerechnet - hier müsse weiterer Subventionsabbau unbedingt erfolgen ... Deshalb ist es sachlich nicht mehr zu verstehen, daß die deutsche Steinkohle in der Debatte über den Subventionsabbau weiter in den Vordergrund gerückt wird", wie es in einer Erklärung des GVST heißt.

Finanzhilfen nur befristet und degressiv gewähren

Die Bundesregierung sieht sich dagegen auf dem Weg in die richtige Richtung. Ihre Politik folge den aufgestellten Leitlinien und erhöhe sowohl die Transparenz, den Rechtfertigungsdruck und den Steuerungsmöglichkeiten. So würden neue Subventionen nur dann gewährt, wenn sie sich gegenüber sonstigen Maßnahmen als das auch unter dem Kosten-Nutzen-Aspekt geeignetste Instrument erweisen.

Zudem werden neue Finanzhilfen nur noch befristet und grundsätzlich degressiv gewährt. Auch orientiere sich die Subventionspolitik an wachstums-, verteilungs-, wettbewerbs- und umweltpolitischen Wirkungen. Für neue Subventionen gelte, daß diese vor ihrer Einführung einer "besonders intensiven Prüfung" zu unterziehen seien. Denn häufig würden sie von den Begünstigten als das einzige in Frage kommende Mittel dargestellt, obwohl beispielsweise ordnungsrechtliche Maßnahmen in manchen Fällen den Erfolg mit wesentlich geringerem Einsatz sicherstellen können.

Zudem falle der Rückgang der Steuervergünstigungen beim Bund insbesondere deshalb schwächer aus als bei den Ländern, weil die 2004 neu eingeführte Mineralölsteuervergünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe ausschließlich die Einnahmenseite des Bundeshaushalts belaste.

Die aktuelle IW-Studie findet sich im Internet unter: www.iw-koeln.de Der aktuelle Subventionsbericht steht auf der Seite des Bundesfinanzministeriums unter www.bundesfinanzministerium.de


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