© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/06 05. Mai 2006

Er will ein Haus und sie ein Kind
Gelungen: "Rendezvous"
Claus-M. Wolfschlag

Der Titel wiegt in falscher Sicherheit. Man könnte erst denken, einen romantischen Liebesstreifen vor sich zu haben. Nun, mit Liebe hat das Geschehen schon irgendwie zu tun, romantisch aber daran ist allenfalls das gedimmte Licht im Eßzimmer.

Alexander Schüler hat sich ein Theaterstück von Bob L. Sack als Grundlage seines ersten Spielfilms ausgewählt. Diesen entwickelt er zu einem so spannenden wie unterhaltsamen filmischen Kammerspiel. Vier Personen bewegen sich eine Nacht lang in einer schicken Berliner Penthouse-Wohnung, essen, streiten und hassen einander. Ein Entkommen scheint nicht möglich. Nur bis zum Fahrstuhl, in die Küche, die Sauna oder die Dachterrasse schaffen sie es ein wenig auszuweichen.

Zu einem Abendessen treffen sich, scheinbar durch Fügung des Zufalls, zwei Paare. Alles beginnt mit einem interessanten, schön gespielten Streitgespräch zwischen dem reichen Walter (Sven Walser) und seiner Freundin Anna (Lisa Martinek). Walter möchte endlich die gemeinsame Wohnung aufgeben, um sich ein luxuriöseres Ambiente zuzulegen - ein Haus wahrscheinlich. Anna möchte ein Kind. Das hält Walter für weniger wichtig. Typische Szenen einer Ehe, die aber fesseln durch die zunehmende Offenheit und Brutalität, in die das Gespräch abgleitet.

Walters Dienstreise ist ausgefallen. Überrascht bemerkt er, daß Anna ihre Mutter zum Abendessen eingeladen hat. Auf die Schwiegermutter hat der mürrische Walter überhaupt keine Lust. Doch sie erscheint gar nicht, sondern Walters bester Freund Jost (Tim Lang). Der war eigentlich mit Anna zum Rendezvous verabredet und wirkt nun sichtlich verdattert. Walter wird langsam mißtrauisch. Als dann auch noch Josts Frau Yvonne (Anika Mauer), eine hysterische Trinkerin, auftaucht, scheint das Chaos perfekt. Der Abend eskaliert zunehmend. Alle sind wie durch zerstörerische Bande aneinander und an den Ort gefesselt. Die Atmosphäre wird immer beklemmender. Abgründe von men-schlichen Beziehungen in einer egoistischen Konsumgesellschaft eröffnen sich.

Alexander Schüler ist ein durchaus außergewöhnliches Debüt gelungen, ein fesselnder kleiner Film. In 14 Tagen mit Handkamera mehrfach abgedreht, danach monatelang geschnitten und bearbeitet. Schüler beweist dadurch, daß man auch in Deutschland mit minimalem Budget, aber viel Enthusiasmus kleines, aber feines Kino machen kann. Es stört auch nicht, daß Schüler zuviel möchte, arg übertreibt, den Personen und dem Geschehen oft einfach eine Wendung zuviel gibt, die bestenfalls belustigt, schlechtestenfalls ein Glaubhaftigkeitsdefizit erzeugt. Weniger wäre auf jeden Fall mehr gewesen.

Trotzdem, Schüler hat großartige Schauspieler aufgetrieben, die alles geben, stets mit Hingabe an ihre Figur agieren und denen zuzusehen große Freude bereitet. Vor allem Sven Walser gelingt es, seiner Figur des Sparkassenmanagers Walter eine zynische und latent aggressive Note zu geben. Seine unangenehme Fresse stößt einerseits ab, fasziniert andererseits unerklärbar, ja lädt bisweilen auch einfach zum Lachen ein. Ohne viel Technik hat Schüler einen Film jenseits gesellschaftlicher Konventionen gedreht, mit brutaler Schonungslosigkeit, die sich nicht um den guten Geschmack der Zuschauer schert.

Foto: Sven Walser, Tim Lang, Lisa Martinek: Voller Hingabe


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