© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/06 12. Mai 2006

Gleichheit statt Freiheit
Das Antidiskriminierungsgesetz beschleunigt den Umbau der Gesellschaft
Friedrich Karl Fromme

Ein knappes halbes Jahr nach dem Amtsantritt der CDU/CSU/SPD-Regierung beginnt sich zu rächen, daß die Union bei den Koalitionsverhandlungen allzu schnell bereit war, der anderen Seite eigene Prinzipien zu opfern, wohl in der Erwartung, daß noch genug Zeit sei, in der die so angerichtete Koalitionssuppe hinreichend abgekühlt sein werde.

So geht es jetzt mit dem Gesetzentwurf gegen "Diskriminierung", der im Harmlosigkeit vortäuschenden Gewand der Erfüllung einer europarechtlichen Verpflichtung daherkommt. Scheinbar neutral hieß in der vorigen Wahlperiode die Überschrift "Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien". Es gibt deren vier, zwei von ihnen stammen aus dem Jahr 2000. Dies ist ein Zeichen dafür, daß die SPD, als sie der große Partner in der rot-grünen Koalition war, nicht vor Eifer zitterte, diese europäischen Richtlinien durch Umsetzung in deutsches Recht zu erfüllen.

Gegen die Ziele dieser Richtlinien ist zunächst nicht viel einzuwenden. Niemand soll benachteiligt werden wegen seines Alters, wegen einer Behinderung, wegen seiner ethnischen Herkunft und wegen seiner "sexuellen Orientierung". Trotzdem drohen CDU-Ministerpräsidenten damit, den Gesetzentwurf notfalls im Bundesrat zu verändern. Warum?

In Deutschland sind die einschlägigen Debatten vor Jahren geführt worden. Entsprechende "Diskriminierungsverbote" sind in den Gleichheitsartikel 3 des Grundgesetzes aufgenommen worden. Das hat bindende Wirkung nur für den Staat und seine Organe. Hier nähert man sich dem eigentlichen Streitpunkt. Die Reichweite der jetzt geplanten Bestimmungen ist nicht mehr begrenzt, verpflichtet nicht nur den Staat, sondern greift in die Beziehungen der Bürger untereinander ein, die vom Privatrecht geregelt werden. Diese "Drittwirkung" von Grundrechten ist bisher mit guten Gründen abgelehnt worden, denn die Folge wäre eine Beschränkung der Freiheit, im Privatrechtsverkehr nach eigenem Belieben Abschlüsse zu tätigen oder auch nicht.

Eine Familie, die Behinderte einschließt, als Mieterin einer Wohnung zu akzeptieren, soll dem Hauseigentümer zur Pflicht gemacht werden. Ebenso könnte er unter Berufung auf das Verbot einer Diskriminierung wegen Eigenarten der "sexuellen Orientierung" verpflichtet werden, Homosexuelle als Mieter aufzunehmen. Heute darf der Hauseigentümer den Abschluß eines Mietvertrages mit Homosexuellen, oder auch mit Frauen, die von der Wohnung Gebrauch machen wollen im Sinne der von rot-grün "ehrlich" gemachten Prostitution, ablehnen. Um nicht als "illiberal" zu erscheinen, wird der Vermieter solche Gründe für eine Ablehnung nicht angeben. Aber ein Verbot der Diskriminierung kann nur sinnvoll sein, wenn die Gründe ausdrücklich und korrekt genannt werden. Am Ende hätten die (Zivil-)Gerichte zu entscheiden, ob der Hauseigentümer einen Mieter annehmen muß oder ob er ihn ablehnen darf. Nach dem mit einigen Änderungen von der Union akzeptierten alten Entwurf soll es "nur" um Schadenersatz-Ansprüche gehen, die einem unrechtmäßig abgelehnten Mieter erwachsen. Trotzdem gehört es zu den Freiheitsrechten, von Eigentum in bestimmter Weise Gebrauch zu machen oder eben gerade nicht.

Die wichtigste Aufgabe der Koalition ist, so versichern ihre Protagonisten unermüdlich, das Schaffen von Arbeitsplätzen. Ein solcher Effekt würde durchaus zu den Folgen einer staatlich gelenkten und erzwungenen Gleichbehandlung aller Bürger - das Gegenstück zur Diskriminierung - gehören. Da ist nicht nur an die Stellen zu denken, die für die Bediensteten der im Entwurf vorgesehenen neuen Gleichstellungs-Behörde einzurichten wären, sondern auch an die Zivil- und die Arbeitsgerichte, die zusätzliche Arbeit bekämen in Form der vielfältigen Klagen, die von sich benachteiligt, "diskriminiert" Fühlenden erhoben würden. Dieser arbeitschaffende Effekt würde noch verstärkt durch die Verschiebung der Beweisregeln.

In der wahrscheinlich richtigen Annahme, daß es vor allem Frauen sein werden, die von den neuen Klagemöglichkeiten Gebrauch machen, verlangte der nach dem Willen der SPD und mit Einverständnis der Union wieder vorzulegende Gesetzentwurf aus der vorigen Wahlperiode eine "besondere Ermutigung" der Frauen, von den neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, "sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen". Hier winken Arbeitsplätze für Volksaufklärer.

Der Teil einer Großen Koalition, der an der vorausgegangenen Regierung beteiligt war, wird immer versuchen, mit mehr Aussicht auf Erfolg auf den Weg zu bringen, was man in der vergangenen Regierung nicht geschafft hat. Das mag auch die SPD wollen. Aber die Union ist nicht verpflichtet, nun ohne weiteres mitzubeschließen an dem, was sie als Opposition schädlich gefunden hat. Die Übererfüllung des europarechtlichen Solls, das aus der vorigen Wahlperiode übertragen wird, liefe auf einen späten Sieg der Grünen hinaus, für die es an gesellschaftlicher Gleichheit nicht genug geben kann.

"Die Übererfüllung des europäischen Solls beim Antidiskriminierungsgesetz, das aus der vorherigen Wahlperiode übertragen wird, liefe auf einen späten Sieg der Grünen hinaus."

Foto: Das Antidiskriminierungsgesetz macht's möglich: Klinsmann muß Merkel in den WM-Kader aufnehmen!


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