© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/06 12. Mai 2006

Leichentuch des Schweigens
Tagung: Kuba jenseits von Sonne und Strand / Jahresversammlung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte
Curd-Torsten Weick

Der Termin war gut gewählt. Zwischen dem Internationalen Tag der Pressefreiheit (3. Mai) und der EU-Lateinamerika-Konferenz, die vom 11. bis 13. Mai 2006 in Wien stattfindet, rief die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) ins malerische Taunus-Städtchen Königstein. "Meinungs- und Pressefreiheit für alle Kubaner! - Perspektiven für einen demokratischen Wandel auf Kuba" hieß das prägende Thema der IGFM-Jahresversammlung 2006, und viele kamen um über die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der Menschenrechte in der kommunistischen Diktatur des Máximo Líder Castro zu sprechen.

Engagierte Exil-Kubaner aus den Vereinigten Staaten

Vor allem die äußerst engagiert auftretende Gruppe der Exil-Kubaner aus den Vereinigten Staaten war stark vertreten. So, um nur einige zu nennen, der Interessenvertreter kubanischer Dissidenten Frank Calzon vom Washingtoner Center for a Free Cuba, der für die amerikanischen Kuba-Sender Radio Martí und TV Martí verantwortliche Geschäftsführer der amerikanischen Behörde Office of Cuba Brodcasting, Pedro V. Roig, die Präsidentin der von ihr gegründeten Coalition of Cuban-American Women, Laida Carro, oder der kubanische Schriftsteller Manuel Vázquez Portal. Portal gründete im Jahr 1998 die staatsunabhängige Nachrichtenagentur Arbeitsgruppe Würde und wurde in diesem Zusammenhang am 19. März 2003 während der Verhaftungswelle von kubanischen Dissidenten inhaftiert und wegen "Gefährdung der Unabhängigkeit des Staates" zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, dann aber Mitte 2004 aus gesundheitlichen Gründen entlassen.

"Castros Gegner in Klausur", "Katholiken und Kommunistenhasser" sah dann auch der Berichterstatter der linken Tageszeitung Junge Welt am Werk und goß in erster Linie Häme über die menschenrechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erika Steinbach. Ihr Kuba-Vortrag sei "ideologisch voll auf Linie" gewesen, amüsierte er sich. Und richtig. Die CDU-Abgeordnete machte aus ihrer Ablehnung des "Castro-Regimes", das von Beginn an eine "Diktatur" war, keinen Hehl. Sie geißelte die brutale Unterdrückung des kubanischen Volkes sowie die bewußte Sprachlosigkeit der deutschen Medien, die sie als "Leichentuch des Schweigens" bezeichnete. Parallel dazu sprach sich die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen für eine "strikte Haltung" gegenüber der Diktatur aus und sicherte den Exil-Kubanern die "volle Unterstützung" der Unionsfraktion zu. Diese applaudierten zum Dank stehend.

Die These vom "Leichentuch des Schweigens" konnte im Anschluß daran der Korrespondent der nordrhein-westfälischen Bild, Klaus Kelle, nur bestätigen. Er nahm kein Blatt vor den Mund, polemisierte gegen die "political correctness" in der Kuba-Berichterstattung und die Kuba romantisierende Sicht der Schröders und Fischers. Gleichzeitig aber stellte er klar, warum auch die Bild dem Cuba-"Mainstream" von Sommer, Sonne, Strand und Havanna Zigarren entspricht. Bild sei eben ein kommerzielles Unternehmen und kein pädagogisches. Drei Viertel der Deutschen dächten bei Kuba an weiße Sandstrände. Dem zolle man Tribut.

Erinnerung an das Schicksal der Flüchtlinge

Außer es geschieht etwas Aufwühlendes, etwas Dramatisches wie im November 1999. Damals strandete der fünfjährige Elián González an der Küste Floridas. Seine Mutter und sein Stiefvater waren bei dem Fluchtversuch von Kuba ertrunken. Es begann ein medienwirksames Tauziehen zwischen Exil-Kubanern, der Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde der Vereinigten Staaten, dem Justizministerium und - mit Unterstützung des Castro-Regimes - dem leiblichen Vater in Kuba. Es ging um Asyl- und Sorgerecht. Letzteres setzte sich durch. Elián wurde seinem Vater übergeben, der ihn dann mit nach Kuba nahm.

Solch medienwirksame Geschichten sind allerdings selten, und so oblag es der IGFM, die "gravierende Verschlechterung der bürgerlichen und politischen Menschenrechte auf Kuba" im Rahmen der Jahresversammlung zu betrachten.

Per Video richtete der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Havel seine Grußbotschaft an die Anwesenden, und auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz, wünschte der Veranstaltung "alles Gute": Die IGFM sei "eine der wenigen Menschenrechtsorganisationen in unserem Land, die es wagen, Menschenrechtsverletzungen in vermeintlich linken Musterstaaten wie Kuba noch anzuprangern."

Letzteres gelang und gipfelte - den Blick auf eine andere Menschenrechts-Krisenregion gerichtet - in der Verleihung des IGFM-Medienpreises Menschenrechte "China". In Anwesenheit des Repräsentanten Taiwans in Deutschland erhielt der Chefredakteur des Handelsblatts, Bernd Ziesemer, den mit 2.000 Euro dotierten ersten Preis.

"Das häßliche China", titelte er seinen Leitartikel vom 31. Januar 2006. Und zielte damitin erster Linie auf die gewinn-maximierenden Manager: "China! Das Wort ist Synonym geworden für grenzenlose Chancen. Es droht die Gefahr, daß wir - fasziniert von der wirtschaftlichen Dynamik - den Horror der Gewaltherrschaft im Reich der Mitte ausblenden. Eine nachhaltige Geschäftsstrategie darf nicht die Augen verschließen vor systematischen Menschenrechtsverletzungen."

Mit Freude nahm Ziesemer den Preis in Empfang und erklärte schließlich, als junger Mann dem damaligen Zeitgeist entsprechend noch hinter Mao-Bildern hergelaufen zu sein - ohne China überhaupt zu kennen.

IGFM, Borsigallee 9, 60388 Frankfurt am Main, Internet: www.igfm.de

Foto: Zahlreiche Exil-Kubaner waren aus den Vereinigten Staaten angereist: Äußerst engagiert

Foto: Erika Steinbach: "Strikte Haltung"


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen