© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/06 19. Mai 2006

Die Hüpfecke bleibt leer
Berlin: An einem ganz normalen Werktag wirbt die Bundesregierung mit einer Informationsveranstaltung für mehr Familien
Anni Mursula

Die Sonne scheint an diesem Montagmorgen auf den Dom an der Berliner Museumsinsel. Schon von weitem sieht man die vielen weißen Zeltdächer und Ballons, die den Besucher zum ersten Deutschen Familientag am 15. Mai lotsen. "Jetzt ist Familie drin" - heißt das Motto des Tages. Mit dem Familientag, der unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler steht, will die Bundesregierung eine "Aufbruchstimmung" für mehr Familie erzeugen.

In der Zeltstraße präsentieren sich unter anderem die "Lokalen Bündnisse für Familie", die Kirchen, Wissenschaftler und prominente Unterstützer aus Wirtschaft und Politik. Angekündigt für den Tag sind neben den vielen "Fachforen" und "Themeninseln" eine Rede von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), ein Rundgang mit der Ministerin und dem Bundespräsidenten, ein Weltrekordversuch für das größte Familienfoto der Welt und viele Bühnenprogramme für Kinder. Für die Fachforen haben sich über 1.300 Interessenten angemeldet, aber da der Familientag eine öffentliche Veranstaltung ist, könne man keine genauen Aussagen über die Besucherzahlen treffen, sagt die Sprecherin der Veranstaltung, Sophie Matz. Am Vormittag ist noch nicht viel los - man kann sich also an jedem Stand Zeit nehmen, um sich in aller Ruhe über das Familienleben in Deutschland zu informieren. Es gibt, zumindest bis dahin, kein Gedrängel, keine gestreßten Aussteller und keine quengelnden Kinder. Ja, bisher gibt es überhaupt keine Kinder. Die Hüpfecke ist leer, der Janosch-Stand ebenso. Ein Mann steht davor mit einem Handvoll gelber Papierfahnen zum Verteilen - nur gibt es keine Kinder, die sie haben wollen. An dieser Stelle wird deutlich, wie bitter notwendig Familienförderung in Deutschland ist.

Nachdem man die hinterste Ecke der Zeltstraße erreicht hat, ist dann plötzlich doch Kinderlachen zu hören. Als nächstes sieht man einen zwei Meter großen Plüschlöwen mit seinem Freund dem Frosch einen Tänzchen machen. Circa zwanzig Kinder im Kindergartenalter amüsieren sich darüber prächtig. Die kleinsten Besucher des Familientages sitzen hier in der Kinderbetreuungsstätte und frühstücken gemeinsam, während ihre Eltern sich über die verschiedene Initiativen informieren.

An Information gibt es hier mehr als genug. Als Besucher wird man von dem vielseitigen Angebot regelrecht überfordert. Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, generationenüberbrückende Zusammenarbeit und bürgerschaftliches Engagement sind nur ein paar Probleme, die in den Fachforen diskutiert werden.

Vertreten sind alle denkbaren Organisationen, die sich in irgendeiner Art und Weise mit Familien im Zusammenhang sehen. Von der Katholischen Kirche bis hin zu der anthroposophischen Firma Weleda, die "ganzheitliche" Körperpflegeprodukte und Arzneimittel herstellt, ist alles zu finden. Die einen fordern alte Werte zurück, die anderen dagegen, daß alternative Familienformen gesellschaftlich akzeptiert werden. Ein paar Männer verteilen Flugblätter zum Thema Väterrechte.

Soviel wäre über Familien zu sagen - fragt sich nur, warum das alles in Deutschland von den Politikern nicht schon viel früher propagiert wurde. Es verwundert freilich, daß diese gut strukturierte Veranstaltung der Familienministerin in Berlin ausgerechnet an einem ganz normalen Montag stattfinden muß. Viele interessierte Familien konnten vermutlich deshalb daran nicht teilnehmen. Vielleicht erklärt dies auch die bescheidene Zahl der anwesenden Kinder jenseits des Kindergartenalters: Montag war in der Hauptstadt ein ganz normaler Schultag.

Essensgutscheine für die Experten

Was die Veranstaltung letztlich bringen wird, bleibt offen. Ob junge Menschen dadurch tatsächlich animiert werden, Familien zu gründen, ist fraglich. Ebenso der finanzielle Aufwand, immerhin haben alle 1.300 angemeldeten Besucher Essensgutscheine über vier Euro erhalten. Auch wenn dies nur ein kleiner Betrag im Haushalt des Familienministeriums sein mag, stellt sich dennoch die Frage, ob das Geld im Sinne der Familien nicht an anderer Stelle besser eingesetzt gewesen wäre.


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