© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/06 26. Mai 2006

Nur ein fader Ersatz für das Zentrum gegen Vertreibungen
Erinnerungspolitik: Die Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" gastiert in Berlin / Bernd Neumann spricht sich für spätere Dauerpräsentation aus
Ekkehard Schultz

Soll die vom Bonner Haus der Geschichte konzipierte Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" (JF 3/06) künftig als Dauerpräsentation in Berlin gezeigt werden? Aufgrund des verhältnismäßig großen Publikumszuspruchs in Bonn zwischen dem 3. Dezember 2005 und dem 17. April 2006, ihrer nunmehrigen Präsentation im Deutschen Historischen Museum (DHM) Berlin seit vergangenem Freitag und dem Ersuchen weiterer deutscher Kommunen, sie in ihren Städten zeigen zu können, hat sich Kulturstaatssekretär Bernd Neumann (CDU) dafür ausgesprochen, die Ausstellung nach ihrer Wanderschaft als Dauerausstellung in der Hauptstadt fest zu verankern.

Die Unions-Bundestagsfraktion hat Neumanns Vorschlag grundsätzlich begrüßt. Der Vorsitzende der Gruppe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler, Jochen-Konrad Fromme, sieht innerhalb der Ausstellung "durchaus Berührungspunkte zu dem von CDU und CSU unterstützten Zentrum gegen Vertreibungen" (ZgV).

Die Präsentation sei geeignet, "einer breiten Öffentlichkeit das dunkle Kapitel der Vertreibungsgeschichte der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges" sowie "die Erfolgsgeschichte der Integration der Heimatvertriebenen in die Bundesrepublik Deutschland" nahezubringen. Sie wecke zudem Interesse, "sich mit dem Thema näher zu beschäftigen", und rege "auch zu kontroversen Diskussionen" an.

Gleichzeitig betonen die Unionsparteien jedoch auch, daß die Ausstellung die separate Einrichtung eines Zentrums gegen Vertreibungen keineswegs ersetzen könne. Das ZgV solle neben der Vertreibung der Deutschen auch die Vertreibungen anderer europäischer Volksgruppen des 20. Jahrhunderts thematisieren. Ferner soll es Ort der Forschung und Dokumentation sein und "einen aktiven politischen Beitrag" dazu leisten, "Vertreibungen in Gegenwart und Zukunft dauerhaft zu ächten". Dies könne die Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" nicht leisten.

Zunächst wird die Präsentation, die im DHM noch bis zum 13. August gezeigt wird, anschließend im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig zu sehen sein. Als weitere Stationen sind München und Stuttgart im Gespräch. Aber auch in Polen besteht an diesem Projekt größeres Interesse: In den nächsten Monaten wird eine polnische Ausgabe des Begleitbandes zur Ausstellung veröffentlicht. Die deutsche Fassung erscheint nunmehr bereits in dritter Auflage, nachdem die beiden ersten Auflagen bereits in Bonn innerhalb von knapp vier Monaten komplett verkauft wurden. Damit war die Publikation mit Abstand die erfolgreichste, die eine Wechselausstellung des Hauses der Bundesrepublik Deutschland seit Mitte der neunziger Jahre aufweist.

Doch auch in Berlin wird das Thema Vertreibung nach dem 13. August weiterhin präsent sein. Bereits am 10. August wird in dem nur wenige Meter vom Deutschen Historischen Museum entfernten Kronprinzenpalais die Ausstellung "Erzwungene Wege" eröffnet werden, die der Bund der Vertriebenen (BdV) erarbeitet hat. BdV-Präsidentin Erika Steinbach hatte schon zu Beginn des Jahres beim Berliner Neujahrsempfang ihres Verbandes auf die Möglichkeiten der gegenseitigen Ergänzung zweier unmittelbar nacheinander präsentierten Ausstellungen zum gleichen Thema - wenn auch in unterschiedlicher Form - verwiesen. Steinbach erhofft sich dadurch auch eine stärkere Unterstützung für die Umsetzung des ZgV in der Hauptstadt.

Die Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" läuft noch bis zum 13. August im Deutschen Historischen Museum Berlin.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen