© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/06 02. Juni 2006

Mission überdenken
von Matthias Bäkermann

Ein schnöder Verkehrsunfall war der Anlaß. Die Kontrolle der Isaf-Truppen über die afghanische Hauptstadt Kabul ist seit Montag gefährdet. Zum Teil bewaffnete Massen begehren offen und gewalttätig gegen "den Westen" auf. Natürlich mag es stimmen, daß ehemalige Taliban oder auch andere Kräfte die Krise für ihre eigenen Zwecke nutzen und sogar noch anheizen. Wahr scheint aber auch, daß die Installation einer "demokratischen Regierung" in der Bevölkerung nicht akzeptiert wird und Hamid Karsai in den Augen der meisten nur als Quisling der verhaßten Besatzungsmacht USA erscheint. Ohnehin stützt sich dessen Macht nur auf die Gewehre der Isaf und ist deshalb hauptsächlich in Kabul wirkungsmächtig. Obwohl die fast 3.000 Mann starke Truppe der Bundeswehr bislang noch nicht direktes Angriffsziel ist, auch weil sie bei vielen Afghanen ungleich beliebter als die Briten oder erst recht die US-Amerikaner sind, sollte man nicht dem Trugschluß erliegen, daß das so bleibt. Schließlich stützen auch sie Karsai.

Man muß nun nüchtern überlegen, welchen Zweck eine weitere Präsenz hat, wenn die Truppe nur noch eingeigelt im "Camp Warehouse" agieren kann. Gleiches gilt in stärkerem Maße für deutsche Soldaten in den Nordprovinzen. Da die Kontrolle auch mit allen etwa 9.000 Isaf-Soldaten über ein bald doppelt so großes Land wie die Bundesrepublik schlechterdings unmöglich ist, die ursprüngliche Absicht einer Selbstverwaltung einer im Westen akzeptierten Regierung aber in immer weitere Ferne rückt, hilft kein stures Verharren. Wenigstens unsere Soldaten haben diese realistische Lageeinschätzung verdient.


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