© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/06 02. Juni 2006

Sieg nach Punkten
Bundeswehr I: Regierung rückt weiter von Traditionen ab / Anfrage der Linksfraktion
Karsten Schlehe

Kleine Anfragen im Bundestag sind oft kleine Kunstwerke. Längst geht es nicht mehr darum, nur Informationen von der Bundesregierung einzufordern, sondern auch eigene Standpunkte über das Verteilernetz des Bundestages zu verbreiten.

So konnte man kürzlich in der Bundestagsdrucksache 16/1282 erfahren, daß "Traditionsverbände von Wehrmachtsoldaten" sich darum bemühen, "Kriegsverbrechen" zu "relativieren" oder gar zu "verneinen". Es ist die Kleine Anfrage der "Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Kersten Naumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke zum Thema "Traditionsverbände, Kameradschaftsvereine und der Rechtsextremismus".

In einem zweiseitigen Vorspann, genannt "Vorbemerkung der Fragesteller", nutzen Jelpke und ihre Kollegen die Gelegenheit, wieder kräftig das eigene linksradikale Geschichtsbild zu transportieren. Aus der Vertreibung der Deutschen aus Ostdeutschland und Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg wird beispielsweise flugs ein "Umsiedlungsbeschluß".

Im Kern geht es den Anfragestellern darum, mehrere Traditionsverbände, die derzeit (noch) mit der Bundeswehr zusammenarbeiten, als "rechtsradikal" und "revanchistisch" zu brandmarken. Außerdem zeigt man sich besorgt: "Die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit revisionistischen und revanchistischen Verbänden muß Besorgnis erwecken, besonders vor dem Hintergrund der rechtextremistischen Vorkommnisse, die der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages in seinen Jahresberichten meldet."

Auch die Reservistenkameradschaften werden von der Linkspartei in der Anfrage unter Beschuß genommen. Allerdings antwortet die Bundesregierung, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Reservisten nicht beobachtet. Alle Fragen zur Arbeit der Reservistenkameradschaften werden so von der Regierung abgeschmettert.

Interessanter ist da schon die Antwort auf die Frage, wie hoch die Fördermittel des Bundes für den Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRBW) sind. Waren es im Jahr 2002 noch insgesamt 14 Millionen Euro, so sind es heute nur noch 13,8 Millionen.

Die Fragen, die den Kyffhäuserbund, den Bayerischen Soldatenbund 1874 e.V. und den Kameradenkreis der Gebirgstruppe betreffen, wurden ebenfalls nur knapp beantwortet.

Eine weitere interessante Frage lautet: "Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Verbreitung rechtsextremistischer Zeitschriften unter Bundeswehrsoldaten, und welche Konsequenzen zieht sie daraus?" Hier antwortet die Bundesregierung, "derartige Zusendungen" seien "durch den Empfänger zu vernichten". Dies sei eine "generelle Empfehlung des MAD".

Abschied von "problematischen Namen"

Selbst die Zeitschrift loyal, das Mitgliederorgan des VdRBW, rückt ins Fadenkreuz von Jelpke & Co. Gefragt wird, ob "verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse" über die Zeitschrift vorliegen, die stramm auf Linie des Bundesverteidigungsministeriums liegt. Wie die meisten anderen wird diese Frage verneint.

Ansonsten werden fast nur die Inhalte des Traditionserlasses von 1982 durch die Linkspartei sozusagen "abgefragt". Allerdings ist die Antwort auf die 17. Frage des Katalogs durchaus erwähnenswert. Hier geht es um die "gegenwärtigen Namensgebungen militärischer Liegenschaften" - eine Frage, die besonders vor dem Hintergrund der Umbenennungsorgie auf dem Luftwaffenstützpunkt Fürstenfeldbruck äußerst aktuell ist.

Hier gibt sich die Bundesregierung kooperativ. Viele "problematische Namen", so die Antwort, "wurden schon aufgegeben". "Die Frage im Zusammenhang mit Kasernenbenennungen, ob sich ein Angehöriger der ehemaligen deutschen Wehrmacht durch sein gesamtes Wirken um Freiheit und Recht verdient gemacht hat, wird gewiß in einigen Fällen heute anders beantwortet werden als zu der Zeit, als eine Kaserne nach ihm benannt worden ist", so die butterweiche Antwort der Bundesregierung. Außerdem bestreitet sie generell den Vorbildcharakter der Soldaten, nach denen Kasernen benannt werden. Diese könnten sich "durchaus kritisch zu diesem Namen positionieren".

Letztendlich ist diese Kleine Anfrage doch ein Sieg nach Punkten für die Linkspartei. In entscheidenden Fragen, die die militärische Tradition betreffen, hat sich die deutsche Bundesregierung weitestgehend dem Kurs der Linken angepaßt. Anstatt zu ihren Namensgebern und damit zur auch zur Gründergeneration der Bundeswehr zu stehen, stellt sie diese in ihrer Gesamtheit zur Disposition.


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