© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/06 02. Juni 2006

Gründungsvater
Bundeswehr II: Johann Adolf Graf von Kielmansegg gestorben
Clemens Range

Einer der Gründungsväter der Bundeswehr, General a.D. Johann Adolf Graf von Kielmansegg, ist am vergangenen Freitag im Alter von 99 Jahren in Bonn gestorben. Der aus einer traditionsreichen Familie stammende Offizierssohn gehörte zu den Männern, die die neuen deutschen Streitkräfte schufen und maßgeblich prägten. Von 1950 an leitete der ehemalige Generalstabsoberst im "Amt Blank" das militärpolitische Ressort, das sich mit der Struktur der Bundeswehr ebenso wie mit deren Einbettung in das Bündnis der Westmächte beschäftigte. Kielmansegg war es, der Ulrich de Maiziére und Wolf Graf Baudissin holte und mit diesen über den neuen deutschen Soldatentyp nachdachte, der dem Fortschritt gegenüber aufgeschlossen, der Tradition aber verbunden bleiben sollte. Es entstand das Bild des "Staatsbürgers in Uniform" und die Konzeption der "Inneren Führung".

Kielmanseggs strategisches Können und seine Fähigkeit, politisch zu denken und diplomatisch zu handeln, gaben 1955 den Ausschlag, den inzwischen zum Brigadegeneral beförderten Grafen als ersten Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland zum Nato-Oberkommando zu entsenden. Dort verstand es Kielmansegg, Mißtrauen abzubauen, Einfluß zu gewinnen und sich aufrichtige Freunde zu erwerben.

Nach Stabsstellen und Truppenkommandos in der Bundeswehr kehrte Graf Kielmansegg 1963 in das Bündnis zurück - diesmal als Viersterne-General und Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte in Mitteleuropa. Die Umsetzung des mehr als 20 Jahre gültigen Nato-Konzepts der "Vorneverteidigung" in die Praxis trieb er mit Nachdruck voran. Frankreichs Ausscheiden aus der militärischen Nato-Integration brachte es mit sich, daß der General 1966 als erster Deutscher Oberbefehlshaber sämtlicher Alliierter Streitkräfte Zentraleuropas wurde. Immer wieder nahm er auch aus dieser Stellung Einfluß auf den Geist der Bundeswehr. Unermüdlich setzte er sich mit den Geschehnissen und Männern des 20. Juli auseinander, mit denen er befreundet war - Stauffenberg war sein Duzfreund - und denen er sich verpflichtet fühlte.

Seit 1968 lebte Kielmansegg im Ruhestand, doch sein vitales Interesse an der Sicherheitspolitik war so stark wie ehedem. Sein scharfer Verstand, seine Weltkenntnis und sein Takt machten den einstigen preußischen Reiteroffizier, der von seinen Freunden "Kilian" genannt wurde, zu einem hochgeschätzten Ratgeber.

Kielmansegg, Inbegriff eines Aristokraten, hatte viele Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr in der westdeutschen Armee viele Bewunderer und galt unter den Generalen als primus inter pares. Als Mitglied der Wehrstrukturkommission beriet der Patriot Anfang der siebziger Jahre die Bundesregierung über künftige Verteidigungsmodelle. In einer beachtenswerten Studie machte er sich 1984 intensive Gedanken zur Führung der Bundeswehr - wobei viele grundsätzliche Überlegungen bis heute gültig bleiben. Kielmansegg, dessen Sohn gleichfalls als Generalmajor in der Bundeswehr diente, bereiste die Volksrepublik China und hielt als Co-Autor in dem Buch "Unbesiegbar?" seine Eindrücke über die chinesische Armee fest.

Zurückgezogen lebte er im Badischen und widmete sich seinen Neigungen, der Literatur, Geschichte und Geographie. Der Tod seiner geliebten Ehefrau Mechthild, mit der er über 60 Jahre alle Höhen und Tiefen einer bewegten Zeit geteilt hatte, nahm dem sensiblen General, der die Tradition des deutschen Offiziersadels im besten Sinne verkörperte, die Lebenskraft.

Johann Adolf Graf von Kielmansegg (Foto)


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