© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/06 02. Juni 2006

CD: Nena
Nichts versäumt
Holger Stürenburg

Kompilationen mit den größten Erfolgen von Nena gibt es bereits wie Sand am Meer. Alle paar Monate wirft ihre frühere Plattenfirma Sony/BMG jeweils eine neue Hitkollektion der gebürtigen Hagenerin auf den Markt. Darauf sind dann ein ums andere Mal nahezu diesselben luftigen Popohrwürmer des seinerzeitigen "Neuen Deutschen Fräuleinwunders" versammelt, die jeder Nena-Fan schon seit Ewigkeiten in seinem Plattenschrank stehen hat.

Das soeben erschienene Doppelalbum "Nena - Einmal ist keinmal" beinhaltet zwar ebenfalls ausschließlich Material aus ihren frühen Jahren, hebt sich aber dennoch wohltuend von den zahllosen "Best of Nena"-Verramschungen der letzten Jahre ab. Denn die Münchner Firma verarbeitete dafür nicht nur die allseits bekannten und beliebten Single-Perlen der zuletzt wieder sehr gefragten Deutschpop-Lady, sondern vermengte Nenas zeitlose Hitparadenstürmer aus den Achtzigern mit Maxiabmischungen, Remixes und englischsprachigen Aufnahmen jener Periode, die bislang entweder gar nicht oder zumindest nicht so ohne weiteres im CD-Format erhältlich waren.

Auf dem ersten Silberling von "Einmal ist keinmal" finden sich unter dem Motto "Die Album-Versionen" in erster Linie weitgehend geläufige Evergreens der heute 46jährigen Sängerin, gepaart mit (zumeist) sympathischen LP-Tracks aus jenen rund zehn Jahren, in denen sie bei CBS unter Vertrag stand, darunter "Nur geträumt", "Leuchtturm" und natürlich die legendären "99 Luftballons", mit denen die brünette Schönheit 1983 deutsche Popgeschichte schrieb, sowie "Irgendwie, irgendwo, irgendwann", hier im 4:10minütigen Singlemix. Dazu kommen einige Stücke von den weitgehend glanz- und erfolglosen LPs "Feuer und Flamme" (1985) und "Eisbrecher" (1986) sowie - nach Nenas Trennung von ihrer Band und einer Kreativpause - ihrem ersten Soloalbum "Wunder gescheh'n" ( 1989) und der nur mittelprächtigen Produktion "Bongo Girl" (1992).

Die weitaus spannenderen Titel finden sich auf der zweiten Silberscheibe. Zusammengefaßt unter dem Kapitel "Die Specials", gibt's elf lange gesuchte Spezialitäten mit einer Gesamtspielzeit von 61 Minuten zu genießen, zum Beispiel vier englisch gesungene Songs, die nach Nenas unerwarteten Top-Plazierungen in Großbritannien und den USA ("99 Red Balloons", Anfang 1984) für den angloamerikanischen Markt synchronisiert wurden. Der aufgedonnerte, über sechseinhalbminütige "Mega Dream Mix" von "Just a Dream"/"Nur geträumt", exzentrische Maxiversionen von "It's all in the Game"/"Haus der drei Sonnen" und "Anyplace, Anywhere, Anytime"/"Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" sowie eine hierzulande selten auffindbare US-Version von "Kino" ("At the Movies") wurden bis dato als Vinyl-Ausgaben auf Plattenbörsen zu horrenden Preisen gehandelt. Manche Stücke sind für "Einmal ist keinmal" überhaupt erstmals auf CD gepreßt worden.

Unbestreitbarer Höhepunkt dieser zweiten CD ist Nenas obskure Kooperation mit Ex-Trio-Gitarrist Gerd "Kralle" Krawinkel, im Zuge derer die vierfache Mutter für dessen (vom breiten Publikum vollkommen unbeachtete) 1993er-Soloambition "Kralle" der (von Rio Reiser getexteten) bluesig-schwärmerischen Gefühlselegie "'N Zentimeter Liebe" ihre Stimme lieh. Zudem sang sie 2003 für das Jubiläumsalbum von Udo Lindenberg, "Der Panikpräsident", das träumerisch-balladeske "Horizont" von 1987 neu ein.

Zu einem Spottpreis von unter zehn Euro angepriesen, bieten die insgesamt 25 Songs auf "Einmal ist keinmal" in ihrer gelungenen Mischung ein energiegeladenes, mitreißendes Hörerlebnis, das die zuletzt nervtötende Zuschüttung mit Nena-Koppelungen schnell vergessen läßt.


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