© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/06 02. Juni 2006

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Konkurrenz
Karl Heinzen

Dank der islamistischen An-schläge seit dem 11. September 2001 hat sich die Bauernregel etabliert, daß man zwischen inne-rer und äußerer Sicherheit nicht mehr trennscharf unterscheiden könne. Unser Land werde heutzutage nämlich weniger durch unfreundliche Staaten, sondern durch terroristische Netzwerke bedroht, die auch in den westlichen Gesellschaften verankert seien und entsprechend aus diesen heraus zu wirken vermögen. Erstaunlicherweise erschöpft sich die Debatte in Deutschland darin, die Aufgabenabgrenzung zwischen Polizei und Streitkräften neu vorzunehmen. Die Nachrichtendienste bleiben hier völlig außer Betracht. Dabei führt gerade das Kreuzfeuer, in das der BND geraten ist, vor Augen, daß ihm in der Erfüllung seines Auftrages Restriktionen vorgegeben sind, die nicht länger als zeitgemäß angesehen werden können. Dies betrifft zum einen sein Operationsgebiet. Wo sich in einer globalisierten Welt die Grenzen zwischen Innen und Außen verwischen, kann man ihm nicht mehr strikt die Auslandsspionage als sein eigentliches Metier zuweisen. Zum anderen gilt es, ihn der Fesseln zu entledigen, die das Erschließen von Informationsquellen erschweren. Einen überwiegenden Teil seines Lagebildes fügt der BND aus Nachrichten zusammen, die Medien entnommen und somit off en zugänglich sind. Recherchiert und verfaßt werden diese Nachrichten von Journalisten. Will der BND über ihr Wissen verfügen, bevor sie es der breiten Öffentlichkeit und damit auch potentiellen Terroristen preisgeben, muß er sie natürlich im Vorfeld einer Veröffentlichung ansprechen. Aber auch den Verfassungsschutzbehörden sind Beschränkungen auferlegt, die längst als obsolet gelten sollten. Dies zeigt der soeben vorgestellte Jahresbericht des Bundesamtes: Unter ausländischem Extremismus kann er nur Aktivitäten dokumentieren, die bereits auf deutschem Boden stattfinden. Er hinkt zwangsläufig hinter den Entwicklungen hinterher und widerspricht zudem seinem Anspruch, universelle Werte zu verteidigen, solange er nicht prophylaktisch auch im Ausland recherchiert. Damit soll aber nicht einer Fusion der bestehenden Nachrichtendienste das Wort geredet werden. Es gilt vielmehr, ihre Konkurrenz bei ausgeweiteten und sich damit fortan überschneidenden Aufgabenfeldern zu stärken. Zu bedenken ist ferner, ob nicht noch weitere Anbieter derartige Dienstleistungen erbringen könnten. Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland nämlich nicht über zu viele, sondern viel zu wenige Nachrichtendienste.


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