© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/06 09. Juni 2006

Die Zustimmung bröckelt
Bundeswehr: Angesichts des bevorstehenden Kongo-Einsatzes verschlechtert sich die Stimmung in der Truppe / Zweifel am Sinn der Auslandseinsätze
Paul Rosen

Das niedersächsische Munster ist einer der größten Bundeswehr Standorte. Bis 1990 wurden in der Heide Panzerabwehrschlachten geübt. Und auch heute noch gehören Soldaten zum Stadtbild, das Dröhnen der lauten Motoren ist Bestandteil des Alltags. Anfang Mai kamen die Heeresführung und 4.000 Soldaten aus allen Einheiten in die Heide, um das 50jährige Jubiläum des Heeres zu feiern. Doch Jubiläumsstimmung wollte trotz der Demonstration des neuen Schützenpanzers "Puma", des wichtigsten Heeresfahrzeugs für die Zukunft, nicht aufkommen. Unter Soldaten, Offizieren und sogar Generalen herrschte Skepsis wegen eines bevorstehenden Einsatzes. "Was sollen wir eigentlich im Kongo?", so eine weit verbreitete Frage, auf die weder Heeresführung noch Politik bisher überzeugende Antworten geben konnten.

Zwar werden nach dem am vergangenen Freitag gefaßten Beschluß des Bundestages nur 780 deutsche Soldaten nach Afrika gehen, davon 320 direkt in die kongolesische Hauptstadt Kinshasa. Doch in der Truppe, selbst in den weniger betroffenen Teilstreitkräften Luftwaffe und Marine, wird über den Sinn des Einsatzes gestritten, wobei die Befürworter in einer hoffnungslosen Minderheitenposition sind. Er habe, sagt der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD), noch bei keinem Auslandseinsatz soviel Ablehnung unter Soldaten erlebt. Die Truppe ist das Spiegelbild der Gesellschaft. Meinungsumfragen zeichnen ein ähnliches Bild.

Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr Verbandes, Bernhard Gertz, kennt die Stimmung unter den Soldaten: "Ihnen hat noch niemand überzeugend vermitteln können, daß ihr Einsatz tatsächlich ein wirkungsvoller Beitrag für die Modernisierung des Kongo ist", sagte der Verbandsfunktionär, der in letzter Zeit immer deutlicher auf Distanz zu Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) geht. Die Truppe hat zwar längst kapiert, daß die Landesverteidigung von der klassischen Hauptaufgabe zu einem Nebenaspekt des Soldatenhandwerks geworden ist. Sie hat auch akzeptiert, daß Auslands-einsätze die Regel geworden sind. Aber die von der Politik gereichten Begründungen, etwa in der flapsigen Art von Peter Struck (SPD), wonach Deutschland am Hindukusch verteidigt werde, überzeugen nicht.

Die Soldaten sehen kaum Fortschritte

Soldaten aus Einsatzverbänden, die regelmäßig ins Ausland müssen, fragen inzwischen sehr deutlich nach dem Sinn ihrer Tätigkeit. Zeit- und Berufssoldaten müssen regelmäßig auf den Balkan oder nach Afghanistan gehen. Wer nach einigen Jahren zum Beispiel wieder in den Kosovo kommt, stellt schnell fest, daß sich nichts verbessert hat. Ähnliche Fragen werden inzwischen in Afghanistan gestellt. Die Bundeswehr ist jetzt für die gesamte Nordregion des Landes zuständig. Fortschritte sind jedoch nicht erkennbar. Im Gegenteil, die Sicherheitslage verschlechtert sich von Tag zu Tag, und Hamid Karsai ist trotz Wahl nichts weiter als ein Präsident der Alliierten.

Die Fragen nach dem Sinn des Einsatzes werden im Fall des Kongo schon vor Beginn massiv gestellt. Selbst Zivilisten dürfte einleuchten, daß 320 deutsche Soldaten und eine ähnlich hohe Zahl französischer Kameraden, die zusammen das Gros der europäischen Truppen für Afrika ausmachen, nicht ausreichen, um in einer Millionenstadt wie Kinshasa auch nur für einen Hauch von Sicherheit sorgen zu können. Die Berichte über die Situation im Kongo, die in der Bundeswehr herumgereicht werden, rauben auch dem letzten Soldaten die Illusion, er könne dort etwas für Demokratie, Menschenrechte und fairen Rohstoffabbau tun, wie die Politiker suggerieren. Zu groß sind die Dimensionen von Clanherrschaft, Korruption, Massenannut und Krankheiten, als daß der Einsatz der Bundeswehr mehr wäre als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Hinzu kommt, daß die Vertreter der Großen Koalition von Anfang an nicht die Wahrheit über den Einsatz erzählt haben. Der eigentliche Grund ist durchaus bekannt, wird aber offiziell verschwiegen. Danach geht es nur darum, die französischen Interessen in Afrika zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund macht der Einsatz Sinn, doch dieser Sinn wurde keinem Soldaten und auch nicht der deutschen Öffentlichkeit vermittelt. Die Große Koalition lügt den Beteiligten etwas vor und wundert sich, daß Lügen kurze Beine haben.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen